Bisher geht er dezent hinter ihr. Wenn Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel bei europäischen Treffen - die zu ihren seltenen gemeinsamen...

Bundestagswahl: Die Chefin und ihr Stellvertreter

Bisher geht er dezent hinter ihr. Wenn Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel bei europäischen Treffen - die zu ihren seltenen gemeinsamen Auftritten gehören - Seite an Seite auftauchen, dann lässt der Außenminister der Kanzlerin den Vortritt. Das ist nicht nur höflich, sondern entspricht auch dem Protokoll. Erst die Kanzlerin, dann ihr Vize. Bisher sind die beiden so ein eingespieltes Team, und keiner stellt das infrage. Doch 2009 wird Steinmeier aus Merkels Schatten heraustreten müssen. Dann werden aus den politischen Partnern politische Gegner, die vor allem eines wollen: das Miteinander beenden. Beide wollen für ihre Partei am 27. September das Kanzleramt erobern und sehen in dem jeweils anderen auf keinen Fall den Wunschpartner zum Regieren. Fast-Vertraulichkeiten von Merkel mit ihrem Außenminister wie diese gehören dann ganz sicher der Vergangenheit an - Merkel auf dem vergangenen EU-Gipfel in Brüssel zu Steinmeier: "Unser Abendessen war sehr gut. Ich habe mich bei den französischen Köchen bedankt. Und die hatten auch alles so sehr schön dekoriert. Haben Sie das gesehen? Es war wirklich toll dekoriert." Steinmeier stutzt irritiert, sucht nach Worten. Dann endlich: "Frau Bundeskanzlerin, bitte sehen Sie mir nach, dass ich wegen der Ernsthaftigkeit der Kongo-Debatte keine Augen für die Dekoration hatte." Ganz Mann hat Steinmeier keine Augen für die Deko. Ganz Kanzlerkandidat wird er solche "weichen" Fragen von Angela Merkel wohl auch kaum vermissen.

Er ist ein "Seriöser", sagt SPD-Chef Franz Müntefering über Steinmeier, einer, der "nichts Spektakuläres" macht. Müntefering wird Steinmeier die "Wahlkampfwaffen" hinhalten. Mal sehen, wie fest der sie in die Hand nimmt.

Denn mit Merkel und Steinmeier treffen zwei bisher wenig kampfeslustige Politiker aufeinander. Beide gelten als sachorientiert und vermittelnd, weniger als polemisch und polarisierend. Er der nüchterne Jurist. Sie die analytische Wissenschaftlerin, die nicht nur eine auseinanderdriftende Koalition vier Jahre zusammengehalten, sondern beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 auch alle unwilligen Staatschefs klimatechnisch auf einen Nenner gebracht hat. Merkel und Steinmeier werden kaum mit groben Säbelhieben um sich hauen, sondern eher die feinen gezielten Nadelstiche setzen.

Steinmeier startet dafür bereits die Testballons. Die Aussage, die SPD könnte das zweite Konjunkturpaket auch allein mit der CDU und ohne deren ständig mäkelnde Schwesterpartei CSU verabschieden, war kurz und leise - aber sie saß. Nichts wird der Wähler den Spitzenkandidaten mehr verübeln als Wahlkampf mit den Ängsten der Bürger. Verantwortungsbewusstsein ist gefragt.

Dicke Brocken wie die Finanzkrise, die Nahostkrise und der Machtwechsel in den USA machen es dem Merkel-Steinmeier-Team deswegen umso schwerer, sich voneinander abzugrenzen - und den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden. Während Merkel den Kanzler-Bonus genießt, wird Steinmeier sich gut überlegen, wo er angreift.

Beim EU-Gipfel gab es einen weiteren Test. Während die Kanzlerin über das Konjunkturpaket bilanzierte, holte Steinmeier - mehr Kanzlerkandidat als Außenminister - doppelt so lange aus und sprach über die von ihm vorgeschlagenen "Beschäftigungsimpulse" in Deutschland. Da war Merkel gar nicht amüsiert.

Bundespräsident: Der Finanzfachmann und die Professorin

Eigentlich sollte sie mit ihren schon 65 Jahren so eine Art Jungbrunnen für die SPD sein. Als der Bundesvorstand Gesine Schwan am 26. Mai 2008 nach langem Gezerre als eigene Bundespräsidenten-Kandidatin gegen Amtsinhaber Horst Köhler aufstellte, war die SPD im Tief. Ein schwankender Vorsitzender Kurt Beck hatte sich verkeilt in der Frage: Zusammenarbeit mit der Linkspartei ja oder nein? Die fröhliche Präsidentin der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder, Sozialdemokratin mit ganzem Herzen, sollte die Situation mit den Linken entkrampfen ("Ich setze auf die progressiven Kräfte der Linken") - und sich gleichzeitig auch von ihnen in der Bundesversammlung wählen lassen. Doch auch das scheiterte. Linkenchef Oskar Lafontaine konnte es nicht verwinden, dass sie ihn bald einen Demagogen nannte, und so stellten die Linken mit Peter Sodann ihren eigenen Kandidaten auf. Damit sind die Aussichten für Gesine Schwan auf das Amt so gut wie begraben. Das Stimmengewicht von Union und FDP in der Bundesversammlung aus 612 Mitgliedern des Bundestages und 612 von den Landtagen entsandten Wählern schlägt zu Köhlers Gunsten aus. Zudem löste Franz Müntefering Kurt Beck ab, Frank-Walter Steinmeier wurde SPD-Kanzlerkandidat - und um Gesine Schwan ist es ruhig geworden.

Der Wahlkampf scheint vorbei zu sein, bevor er begonnen hat.

Köhler ist es nur recht. Er lehnt ihn ohnehin in dieser Form ab. Während Gesine Schwan sich auch in einem Fernsehduell mit ihm messen würde, wird Köhler bis zum 23. Mai alle gemeinsamen Auftritte mit ihr absagen. Einen Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten - das gehört sich nicht. Wenigstens in diesem Punkt sollte Konsens zwischen den großen Parteien herrschen. Schon die Aufstellung von Schwan gegen den amtierenden Präsidenten gilt vielen als Kampfansage.

Könnten die Bürger am 23. Mai ihren neuen Bundespräsidenten bestimmen, wäre die Entscheidung sowieso klar. Nach einer Forsa-Umfrage würden 76 Prozent Horst Köhler ihre Stimme geben und nur zwölf Prozent seiner Herausforderin Gesine Schwan. Der Bundespräsident ist trotz seiner manchmal sperrigen Art beliebt. Er hat sich immer mal wieder in die Politik eingemischt, Gerechtigkeit angemahnt, Politik und Wirtschaft kritisiert.

Das mögen die Menschen. Köhler ist eben kein Politiker. Als Finanzfachmann, der zuletzt als Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) den weltweiten Blick geschärft hat, sieht er die Dinge oft aus anderer Perspektive und nennt die Finanzmärkte auch schon mal "Monster".

Gesine Schwan hält es für "gefährlich", wenn sich der Bundespräsident tagespolitisch so weit aus dem Fenster lehnt. Wer diese Kritik übt, müsse sich an konkreten Lösungsvorschlägen messen lassen, meint sie. Sie will stattdessen lieber "den Handlungsspielraum der Politik erklären". Die Hochschullehrerin. Aber keine Oberlehrerin. Die Studenten "ihrer" Universität, deren Präsidentschaft sie im Oktober abgegeben hat, haben sie dafür bewundert und geliebt.

Bleibt die Frage, warum Gesine Schwan sich das noch einmal antut. Warum sie noch mal wie 2004 gegen Köhler antritt und mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren wird? Sie gibt einfach nicht so schnell auf.

Hessen: Koch und der Überraschungskandidat

Auf die Frage, warum er kein Schattenkabinett präsentiere, hat der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel erklärt: "Weil das den Blick ablenken könnte von der eigentlichen Auseinandersetzung zwischen Roland Koch und mir." Die CDU wertet das als Verschleierungsversuch. Wo Schäfer-Gümbel draufstehe, sei Ypsilanti drin, ruft Roland Koch seiner Partei gerne zu. Die fungiere ja nach wie vor als Partei- und Fraktionsvorsitzende, und auch ihr Spezi Hermann Scheer sei "mit seinen abenteuerlichen Ideen" wieder da - als Vorsitzender des sozialökonomischen Zukunftsrats! Drei Wochen vor der Landtagswahl am 18. Januar scheint der Sieger bereits festzustehen: Roland Koch. Der nach seinem Polarisierungswahlkampf - "Wir haben zu viele junge kriminelle Ausländer!" - vor einem Jahr so gut wie weg vom Fenster war. Der zwar im April 2008 als geschäftsführender Ministerpräsident weitermachte, den man in Wiesbaden aber politisch bereits abgeschrieben hatte. Aber Kochs Beharrungsvermögen zahlte sich aus. Weil die Andrea Ypsilanti so störrisch an ihrer Idee einer von den Linken tolerierten Minderheitsregierung festhielt, brauchte Koch nur abzuwarten. Einen Tag bevor sich Ypsilanti im November mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen wollte, gingen ihr vier Genossen mit der Begründung von der Fahne, eine Minderheitsregierung werde Tausende von Arbeitsplätzen vernichten.

Der Rest ist Geschichte. Am 19. November 2008 wurde der Landtag aufgelöst und der 18. Januar 2009 als Wahltermin festgelegt. Am 12. Dezember 2008 machte der SPD-Landesverband den bis dahin außerhalb Hessens völlig unbekannten Thorsten Schäfer-Gümbel zum Spitzenkandidaten.

Saarland: Der Ministerpräsident und sein Vorgänger

Es war ein politischer Paukenschlag. Am 9. August hat die Linkspartei Oskar Lafontaine zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2009 ausgerufen. Ausgerechnet. Den Mann, der das Saarland von 1985 bis 1998 regiert hat. Allerdings mit SPD-Parteibuch. Was für den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller naturgemäß ein Geschenk des Himmels war - Müller malt seitdem bei jeder sich bietenden Gelegenheit genüsslich das rot-rote Menetekel an die Wand -, ist für den SPD-Spitzenkandidaten Heiko Maas ein reiner Albtraum. Obwohl sein Parteivorsitzender Franz Müntefering in Berlin gerade verkündet hat, dass rot-rote Koalitionen auf Länderebene machtpolitisch von Vorteil sein könnten - vorausgesetzt, die SPD stelle die Ministerpräsidenten.

Denn genau darum geht es ja! Wie eine tibetanische Gebetsmühle muss Heiko Maas seinen Wählern deshalb landauf, landab erklären, dass Rot-Rot zwar nicht ausgeschlossen ist, dass Oskar Lafontaine aber nie wieder Ministerpräsident im Saarland werden wird. Wörtlich: "Als Juniorpartner steht die SPD nicht zur Verfügung." Aber was ist, wenn Lafontaine am 30. August tatsächlich vor Maas durchs Ziel geht? Maas, der sich neuerdings als Triathlet versucht, will gar nicht daran denken.

Aber das lässt sich schlecht vermeiden, denn in der CDU kennt man, wie schon gesagt, verständlicherweise kein schöneres Thema. Überhaupt konzentriert sich der passionierte Schachspieler Peter Müller in diesem Wahlkampf komplett auf die Auseinandersetzung mit der Linken. Er wolle, sagt er, "der Bundesrepublik einen Dienst erweisen", indem er Oskar Lafontaine stoppe. Den Triathleten erwähnt Müller gar nicht mehr. Der versucht angestrengt, nicht gekränkt zu wirken.

Sachsen: Der Solide und der Sozialist

Zuletzt stand Stanislaw Tillich (49) unter argem Beschuss aus Reihen der SPD und der Grünen. Sie warfen ihm vor, dass er schon in der DDR in der CDU war, einen Posten in der Kreisverwaltung von Kamenz hatte und darüber nicht wahrheitsgemäß berichtet haben soll. Eine klassische "Blockflöte" also. Unangenehm - einerseits. Andererseits macht das den volkstümlichen und besonnenen Mann aus einer katholischen sorbischen Familie bei vielen Sachsen noch beliebter. Nach "König" Kurt Biedenkopf und dem Technokraten Georg Milbradt - beide aus dem Westen - endlich "einer von uns" in der Staatskanzlei. Ob das so bleibt, ist eine andere Frage. Zwar schlägt sich der erst seit acht Monaten im Amt befindliche Tillich wacker durch die Wirtschaftskrise, die sich in Sachsen vor allem bei den Chip-Herstellern in und um Dresden negativ bemerkbar macht. Da die CDU zuletzt nur noch auf 41,1 Prozent kam (Biedenkopf hatte einst 58,1!), kann er aber nicht wie seine Vorgänger mit absoluter Mehrheit regieren, sondern sieht sich in einer ungeliebten Großen Koalition mit der SPD. Wobei "groß" der falsche Begriff ist. Die Sozialdemokraten kamen bei der letzten Landtagswahl auf den Minus-Rekord von 9,8 Prozent. So ist der Hauptkonkurrent am 30. August auch kaum sein SPD-Wirtschaftsminister Thomas Jurk, sondern der Spitzenkandidat der Linken, Andre Hahn (45). Keine Blockflöte, sondern ein echtes Kind der SED, in die er mit 22 Jahren laut eigener Homepage natürlich nur deshalb eingetreten ist, weil er sie von innen reformieren wollte. Das versucht er bis heute. Zuletzt, noch unter dem Namen PDS, kam seine Partei auf stolze 23,6 Prozent. Gelänge ihm mit wessen Hilfe auch immer der Machtwechsel im Freistaat, stünde Sachsen nach 20 Jahren vor der zweiten Wende. Wohl nicht zum Besseren.

Brandenburg: Taktiker kontra Mathematikerin

Man gehe ohne Koalitionsaussage in die Wahl, hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärt, der das Land zwischen Elbe und Oder seit dem Jahr 2002 regiert. Und zwar an der Spitze einer Großen Koalition, der die Wähler das letzte Mal einen scharfen Dämpfer verpasst haben: Platzecks SPD verlor satte sieben Prozentpunkte, die Union rutschte sogar noch hinter die damalige PDS auf Platz drei zurück. Trotzdem haben SPD und CDU in Potsdam nahezu geräuschlos miteinander regiert. Krach gab es nur parteiintern. In der Union, wo Jörg Schönbohm irgendwann genervt den Parteivorsitz abgab.

Sein Nachfolger, Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, hielt auf diesem Posten nicht mal zwei Jahre durch: Im Oktober machte er für Wissenschaftsministerin Johanna Wanka Platz.

Die promovierte Mathematikerin soll es im brandenburgischen Landtagswahlkampf 2009 nun auch als Spitzenkandidatin richten. Es werde ihr vornehmlich darum gehen, eine rot-rote Regierungsbildung zu verhindern, sagt die 57-Jährige.

Und da kommt Kerstin Kaiser ins Spiel. Hat man schon mal von ihr gehört? Vermutlich nicht. Die 48-Jährige ist Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Potsdamer Landtag und seit Neuestem auch deren Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl.

Könnte aber sein, dass Kaiser danach bundesweit bekannt wird, denn Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck will ein Regierungsbündnis mit der SED-Nachfolgepartei nicht ausschließen. Obwohl Kerstin Kaiser einst der DDR-Staatssicherheit gedient hat und obwohl Brandenburgs Linke eine rigorose Abkehr von der Agenda 2010 fordert, die die SPD bekanntlich entworfen hat.

Wie die Sache in Brandenburg am 27. September ausgehen wird, wagt niemand zu sagen. Sicher ist nur, dass gar nichts sicher ist. Zu den Gewinnern könnten die Liberalen von der FDP gehören, die erstmals seit dem Vereinigungsjahr 1990 wieder hoffen kann, in den Potsdamer Landtag einzuziehen.