Schleswig-Holsteins SPD-Chef reagiert auf explodierende Preise: 452 Versorger werden im Januar teurer.

Hamburg. Der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner hat dazu aufgerufen, auf die explodierenden Energiepreise sofort mit einer "möglichst flächendeckenden Überführung der Stromnetze in öffentliches Eigentum" zu reagieren. "Es ist das Gebot der Stunde, den Konzernen ihre Machtstellung zu nehmen und die Versorgung weitgehend zu kommunalisieren", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Die Stromnetze gehören als Lebensader unserer Wirtschaft in die öffentliche Hand." Die Energienetze könnten zum Beispiel in einer Bundeseinrichtung für Stromnetze gebündelt werden.

Tatsächlich sind Strom und Gas im vergangenen Jahr deutlich teurer geworden.

Nach einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Verbraucherportals toptarif.de, stieg der Strompreis in Deutschland seit Januar um rund 6,4 Prozent. Der Gaspreis werde - trotz der angekündigten Preissenkungen - im Januar 2009 sogar noch um 20 Prozent höher liegen als vor einem Jahr.

Doch entwickeln sich die Preise bei Strom und Gas in gegensätzliche Richtungen: Auf Stromkunden rollt im Januar 2009 eine weitere Welle von Preiserhöhungen zu. Insgesamt werden laut toptarif.de 452 Grundversorger zum Jahreswechsel ihre Preise um bis zu 21 Prozent erhöhen. Im Durchschnitt müsse eine Familie mit einem Jahresverbrauch von rund 4000 Kilowattstunden mit Mehrkosten von 8,5 Prozent oder 74 Euro rechnen.

Beim Gas scheint dagegen der Höhepunkt der Preisentwicklung überschritten. Zum Januar senken der Untersuchung zufolge 205 Grundversorger ihre Preise um bis zu 20,7 Prozent.

Stegner rief die Große Koalition dazu auf, dieses Thema im Januar in die Beratungen des Koalitionsausschusses um das Konjunkturpaket II einfließen zu lassen. Nur wenn die Netze in kommunaler Hand seien, könnten die Energieriesen dazu gezwungen werden, die mittelfristig für die Verbraucher günstigeren erneuerbaren Energien vorrangig einzuspeisen und für ausreichend Leitungskapazitäten zu sorgen, "statt sich weiter ihre immensen Gewinne in die Taschen zu stecken". Das Problem des fehlenden Wettbewerbs am Markt verschärfe sich durch das Monopol der Konzerne auf die Leitungen in "gravierender Weise". "Derzeit diktieren uns die Energieriesen die Preise - und die Kommunen schauen hilflos zu." Nur die öffentliche Hand könne erreichen, "dass Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaverträglichkeit der Energieversorgung unter einen Hut gebracht werden".

Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sagte dem Abendblatt: "Zunächst muss der Gesetzgeber für mehr Wettbewerb sorgen." Der schnellste Weg sei eine "Aufteilung der großen Stromkonzerne in unabhängige Regionalunternehmen". Daneben , so Höhn weiter, "müssen die Strom-Kuppelstellen zu unseren europäischen Nachbarn umgehend ausgebaut werden". Kurzfristig sollten Verbraucher auch zu Ökostromanbietern wechseln: "Diese sind mittlerweile vielfach günstiger, weil die erneuerbaren Energien immer konkurrenzfähiger werden", sagte Höhn. "Durch die vielen Preiserhöhungen sind Atom- und Kohlestrom an der Terminbörse oft teurer als die Vergütung für Windstrom."

Auch die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftforschung, Claudia Kemfert, appellierte angesichts der steigenden Preise an die Verbraucher: "Wechseln Sie zu billigeren Anbietern." Zwar habe der Anteil der Wechsler im vergangenen Jahr bereits deutlich auf knapp 20 Prozent zugenommen. Besser wäre es jedoch, wenn sich mindestens die Hälfte der Verbraucher einen neuen Stromanbieter auswählen würde, sagte Kemfert den "Ruhr-Nachrichten".