Er gilt als das größte Talent der Liberalen: Nächste Woche wird Philipp Rösler (35) Wirtschaftsminister von Niedersachsen. Bilder von Philipp Rössler.

Hamburg. Als sich im Sommer 2005 ein gewisser Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU und ein gewisser Philipp Rösler von der FDP in Weimar kennenlernten, galten sie weithin als politischer Nachwuchs und Hoffnungsträger ihrer Parteien. Das Thema, zu dem beide auf ein Podium gebeten worden waren, lautete ausgerechnet "Die ausgesperrte Generation: Wer produziert Zukunft?" Guttenberg sagte damals: "Wir brauchen Mut, abgewählt zu werden." Und Philipp Rösler war überzeugt: "Wir sind solide, Selbstinszenierung ist nicht unser Ding." Seitdem duzen sie sich.

Die vermeintlich Ausgesperrten von damals mischen keine vier Jahre danach - vielleicht schneller, als sie selbst erwartet haben - ganz oben im Politikbetrieb mit. Guttenberg, 37 Jahre alt, ist seit zwei Tagen Bundeswirtschaftsminister. Rösler, 35 Jahre alt, von Beruf Augenarzt und noch Fraktionschef in Hannover, übernimmt am kommenden Mittwoch das Amt des niedersächsischen Wirtschafts- und Arbeitsministers und wird dazu Stellvertreter von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Der Zufall wollte es, dass die beiden Shootingstars ihrer Parteien nun in kurzen Abständen Regierungsverantwortung übernehmen.

Während der Wechsel in der CSU unvorbereitet und chaotisch vonstatten ging und Guttenberg wie ein Zufallsprodukt einer von Nöten geplagten CSU-Personalpolitik dasteht, hat die niedersächsische FDP den Generationswechsel von Walter Hirche zu Philipp Rösler behutsam vorbereitet. 2006 übernahm Rösler von seinem politischen Ziehvater Hirche den Parteivorsitz im Land, die Übergabe des Wirtschaftsressorts wurde Anfang Januar verkündet. Dass Rösler als potenzieller Irgendwann-einmal-Nachfolger Guido Westerwelles im Amt des Bundesvorsitzenden der FDP gehandelt wird, nimmt der Mediziner ohne Regung zur Kenntnis: "Das sehe ich gelassen." Für ihn gilt, was er schon damals in Weimar, neben dem heutigen Bundeswirtschaftsminister sitzend, sagte: Selbstinszenierung ist nicht sein Ding.

Rösler, der 1973 von seinen deutschen Eltern in einem Waisenhaus in Vietnam adoptiert wurde, in Hamburg-Harburg und Bückeburg aufwuchs und mit seiner Frau und seinen vier Monate alten Zwillingen in Hannover lebt, sieht seinen Platz auch weiterhin in Niedersachsen.

Mag die FDP bei der Bundestagswahl im Herbst noch so gut abschneiden: "Ich kann nach einem halben Jahr nicht gehen. Das würde mein Landesverband nicht verstehen - und die Bevölkerung auch nicht." Rösler kann auch in vier oder acht Jahren noch nach Berlin wechseln. Selbst dann wäre er einer der Jungen. Er spielt bereits auch so in der FDP-Bundesliga mit. Er ist Mitglied im Parteipräsidium, telefoniert regelmäßig mit Parteichef Guido Westerwelle und wagt es inzwischen sogar, seinen Parteifreunden Grundsatzdebatten aufzuzwängen. Zuletzt tat er das im März 2008, als er ein Thesenpapier mit dem provokanten Titel "Was uns fehlt" verfasste und darin nichts Geringeres als eine Überarbeitung der Wiesbadener Grundsätze verlangte. Diese Grundsätze hatte Westerwelle in seiner Zeit als Generalsekretär maßgeblich formuliert.

Rösler wusste also, was er da tat, und war nicht überrascht, als er dafür keinen Beifall aus der Parteizentrale bekam. "Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen würde, wenn jemand fordern würde, dass mein Grundsatzpapier, auf das ich zu Recht stolz bin, überarbeitet werden soll. Da würde ich auch erst einmal reserviert reagieren", sagt Rösler heute. Für ihn zählt aber nach wie vor, was er vor einem Jahr schrieb: dass der liberalen Programmatik "eine Vision" fehlt, dass das "reine Beschwören eines ordoliberalen Kurses schlichtweg an den Menschen vorbeigeht" und dass viele Liberale Angst haben, "das Wort Solidarität in den Mund zu nehmen". Eine Wertedebatte habe er damit anstoßen wollen, sagt Rösler, "und diese Wertedebatte gibt es jetzt in unserer Partei". So halte Guido Westerwelle keine Rede mehr "ohne das urliberale Thema Bildung". Und dennoch ist Rösler noch nicht zufrieden. Die Diskussion soll weitergehen, nur ist jetzt der falsche Zeitpunkt: "Ich muss anerkennen, dass man vor der Bundestagswahl aus Zeitgründen keine Grundsatzdiskussion führen kann. Deswegen gilt: Wiedervorlage nach der Bundestagswahl." Rösler geht es dabei um Glaubwürdigkeit. Mit ihr habe schließlich auch der derzeitige Höhenflug in den Umfragen zu tun. Aber nicht allein: "Unsere Stärke hat natürlich auch mit der Schwäche der Union zu tun", sagt er. Selbstinszenierung ist wirklich nicht sein Ding.