Hamburg. Abendblatt:

Die Große Koalition bereitet die Verstaatlichung von Banken vor. Das hätte bis vor Kurzem nicht einmal die Linkspartei gefordert ...

Josef Schlarmann:

... richtig! Ich erinnere an Artikel 14 des Grundgesetzes, der das Privateigentum sichert. Enteignungen sind dem Staat nur in engen Grenzen erlaubt. Sie müssen dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Das geplante Gesetz zielt allerdings auf den Einzelfall der Hypo Real. Dem Bundesfinanzministerium geht es offenkundig darum, einen widerspenstigen Gesellschafter zu entfernen. Ich habe da tiefste verfassungsrechtliche Bedenken.



Abendblatt:

Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende trägt diese Lösung mit. Erkennen Sie Ihre Partei noch wieder?

Schlarmann:

Die Union ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft, die darauf beruht, dass wir eine starke Privatwirtschaft haben und der Staat sich zurückhält. Leider hat das ordnungspolitische Reinheitsgebot in der Großen Koalition keinen besonderen Stellenwert, das zeigt sich auch jetzt in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Steuersenkungen, die ordnungs- und konjunkturpolitisch am sinnvollsten sind, mussten auch der CDU geradezu aufgedrängt werden. Da wundere ich mich nicht, dass sich unsere Anhänger in größerer Zahl der FDP zuwenden.



Abendblatt:

Was ist Ihr Ziel für die Bundestagswahl? 35 Prozent plus x?

Schlarmann:

Die Union kommt in Umfragen seit einiger Zeit kaum mehr über 35 Prozent hinaus. Und unsere Wahlergebnisse haben oftmals zwei bis vier Prozentpunkte unter den Umfragen gelegen. Unser Ziel muss deshalb 40 Prozent plus x bleiben.



Abendblatt:

Was kann die Bundeskanzlerin dazu beitragen?

Schlarmann:

Frau Merkel ist zwar beliebt, aber man muss immer auch fragen: Bei wem ist sie beliebt? Das ist sie auch bei Anhängern von Grünen und SPD, die in der Wahlkabine ihr Kreuzchen deswegen noch lange nicht bei der CDU machen. Wir sollten Frau Merkel als Vorsitzende und Kanzlerin im Wahlkampf durchaus nach vorne stellen. Ob das allerdings ausreicht für 40 Prozent plus x und eine bürgerliche Regierung, halte ich für sehr zweifelhaft.



Abendblatt:

Wozu raten Sie?

Schlarmann:

Wir sollten Frau Merkel ein ausgewogenes Team zur Seite stellen. Ich denke da in erster Linie an die Riege der Ministerpräsidenten. Horst Seehofer und Jürgen Rüttgers könnten den christlich-sozialen Flügel repräsentieren. Auch der wirtschaftsliberale Teil müsste sich wiederfinden, da bieten sich Günther Oettinger, Christian Wulff und auch Friedrich Merz an ...



Abendblatt:

... Merkel soll Merz zurückholen?

Schlarmann:

Wir sollten Friedrich Merz in unser Wahlkampfteam aufnehmen. Was hat denn Obama gemacht? Er hat Hillary Clinton, seine schärfste innerparteiliche Gegnerin, zur Außenministerin gemacht. Das ist nicht nur clever, das zeigt Persönlichkeit. Auch in der Union sollte man in der Lage sein, persönliche Aversionen zurückzustellen.



Abendblatt:

Was ist mit dem konservativen Flügel?

Schlarmann:

Da sind wir noch dünner besetzt als auf dem wirtschaftsliberalen.



Abendblatt:

Roland Koch?

Schlarmann:

Ja, vielleicht.



Abendblatt:

Hätte die CDU es leichter, wenn Kanzlerschaft und Parteivorsitz nicht in einer Hand lägen?

Schlarmann:

Theoretisch kann man das nicht beantworten. Man müsste wissen, wer dann den Parteivorsitz übernimmt. Das könnte nach Lage der Dinge Jürgen Rüttgers sein. Diese Konstellation würde allerdings nicht als Tandem, sondern als Zweikampf Merkel - Rüttgers wahrgenommen. Das wäre nicht förderlich.



Abendblatt:

Rüttgers ist die Nummer zwei in der CDU?

Schlarmann:

Er hat den stärksten Landesverband und eine klare Strategie. Sein Credo lautet: Wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung sind zwei Seiten einer Medaille. Damit findet er in der Union enorme Zustimmung.



Abendblatt:

Womit wollen CDU und CSU den Wahlkampf bestreiten?

Schlarmann:

Die Union muss authentisch bleiben. Da gibt es klare Vorgaben, die nicht zur Disposition gestellt werden dürfen. Erstens: Wir setzen auf die Privatwirtschaft und nicht auf eine wachsende Staatswirtschaft. Zweitens: Wir wollen den Staatshaushalt konsolidieren. Drittens: Wir wollen Steuersenkungen vor allem für die Leistungsträger unserer Gesellschaft.



Abendblatt:

Ist dafür nach zwei Konjunkturpaketen noch Geld da?

Schlarmann:

Deutschland ist gut aufgestellt. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Wirtschaftskrise in absehbarer Zeit überwinden lässt. Dann öffnen sich neue Spielräume.



Abendblatt:

Sind Sie für einen schwarz-gelben Lagerwahlkampf?

Schlarmann:

Ein Lagerwahlkampf ist das, was Frau Merkel am meisten fürchtet. Bei ihrem Generalsekretär Pofalla ist das fast zur Phobie geworden. Dabei ist das schwache Wahlergebnis von 2005 gar nicht auf das angeblich neoliberale Wahlprogramm oder die Koalitionsaussage zugunsten der FDP zurückzuführen. Die Parteiführung hat nie den Mut aufgebracht, die wahren Gründe zu analysieren. Nach meiner Überzeugung lag der Absturz in den letzten vier Wochen an Kommunikationsfehlern und fehlender Geschlossenheit. Das kann uns wieder passieren.



Abendblatt:

Inwiefern?

Schlarmann:

Frau Merkel ist eine Einzelkämpferin. Es ist ihr nicht gelungen, außerhalb ihres unmittelbaren Umfelds Teamgeist zu schaffen.



Abendblatt:

Welche Folgen hätte eine Fortsetzung der Großen Koalition über 2009 hinaus?

Schlarmann:

Das würde die Union als Volkspartei gefährden. Vier weitere Jahre den eigenen Markenkern zu verletzen würden CDU und CSU nicht aushalten.