Augenzeugen: Wie die Springerkollegen des früheren FDP-Politikers seinen Sturz in den Tod miterlebten. Marl/Hamburg HA/

"Sehr wortkarg" sei er gewesen kurz vor dem Absprung aus einem Flugzeug vom Typ "Pilatus Porter", berichteten die neun Fallschirmspringerkollegen, die sich mit Jürgen W. Möllemann in der Luft befanden. Die Propellermaschine, die dem Politiker zur Hälfte gehörte, startete gegen 12.10 Uhr vom Flughafen Loemühle im westfälischen Marl. Kurz vor 12.30 Uhr befand sie sich auf einer Höhe von 4000 Metern. Ein Springer nach dem anderen ließ sich in den verregneten Himmel fallen. Möllemann stieg als Letzter aus. Er hatte es abgelehnt, mit den anderen in der Gruppe abzuspringen. Mit rund 700 Absprüngen war er ein sehr erfahrener Springer. Er war Präsident im Fallschirmspringerclub FSC seiner Heimatstadt Münster. Alles lief zunächst reibungslos. "Wir beobachteten, wie sich die Schirme öffneten", berichtete ein Augenzeuge vor Ort. Das war etwa in einer Höhe von 1600 Metern. "Als Springer zählt man automatisch durch. Alle Schirme haben sich einwandfrei geöffnet. Möllemann war gut an den großen Initialien J.M.W. auf seinem blau-gelben Hauptschirm zu erkennen." Wie alle anderen habe er vorschriftsmäßig alle Sicherheitssysteme am Fallschirm eingeschaltet. Die Gruppe der zehn Springer hätte problemlos das Flugfeld zur Landung angesteuert. "Alles lief wie am Schnürchen", so der Zeuge weiter, "sie segelten ganz gemütlich." In einer Höhe von 1000 bis 500 Metern geschah dann etwas, was der Zeuge als "klaren Selbstmord" bezeichnet. Der Hauptschirm war von Möllemans Körper abgefallen. "Er muss ihn abgetrennt haben", sagte der Zeuge. "In dieser Flugphase kann nichts anderes passieren." Kein automatisches Rettungssystem hätte gezündet, der Notschirm sei von Möllemann nicht ausgelöst worden. Diese Beobachtung bestätigte auch der Chef des Fallschirmclubs Marl, Thomas Vilter. "Wir sind mit zehn Mann ganz normal abgesprungen. Ich war in einer Fünfer-Gruppe. Wir haben also einen ganz normalen Formationssprung gemacht." Möllemann sei als Einzelspringer hinterhergesprungen. "Er hat an einem voll intakten Fallschirm gehangen, und der ist auch ganz normal aufgegangen." Möllemann habe in 1600 Meter Höhe den Schirm aufgemacht. "Und zu einem Zeitpunkt, der mir nicht klar ist, hat er dann den Hauptschirm abgeworfen. Eine Störung war von hier aus, vom Boden, nicht zu erkennen." Möllemann stürzte ungebremst in ein Gerstenfeld, etwa 200 Meter vom Eingang des Flughafens entfernt. Um 12.30 Uhr starb Möllemann laut der für die Luftaufsicht zuständigen Bezirksregierung Münster. Um 12.38 wurde die Leiche geborgen und der Tod festgestellt. Möllemanns Springerkollegen waren fassungslos. Im Gästebuch der Internetseite seines Münsteraner Clubs FSC drückten viele, die ihn kannten, ihr Bedauern aus. Eine Helga schrieb: "Ich bin schockiert. Mein tiefes Beileid gilt den Hinterbliebenen." Stephan Buchna drückte sein Mitgefühl all jenen aus, die ihn "kannten, schätzten und mochten. Schade, dass er wohl keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat." Dass Möllemanns Tod ein Selbstmord war, ist jedoch keineswegs gesichert. Die Staatsanwaltschaft erklärte, sein Tod sei noch völlig unklar. "Herr Möllemann ist in den freien Absturzflug geraten und hat es offensichtlich nicht mehr geschafft, den Reservefallschirm zu öffnen", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt. Der frühere FDP-Politiker hatte auch keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Und ein enger Freund des Verstorbenen erklärte, er glaube nicht an Selbstmord. "Das ist keiner, der sich aus dem Leben stiehlt", sagte Uwe Tönningsen dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". So wie er gestrickt gewesen sei, hätte er zumindest einen Abschiedsbrief hinterlassen.