Krankenkassen fordern höhere Besteuerung alkoholischer Getränke. Ärzte loben Tabaksteuer. Union spricht von “Volksverdummung“.

Berlin/Hamburg. Die von der Bundesregierung angekündigte Erhöhung der Tabaksteuer um 50 Prozent - das macht ein Euro mehr pro Packung - hat für unterschiedliche Reaktionen gesorgt. Ärzte und Krankenkassen begrüßen den Vorstoß, die Union und die Zigarettenindustrie lehnen sie dagegen ab. Die Innungskrankenkassen (IKK) brachten zudem eine höhere Besteuerung für alkoholische Getränke ins Gespräch. "Wenn wir Tabakwaren stärker besteuern, muss Gleiches auch für Alkohol gelten", sagte der Vorstandsvorsitzende des IKK-Bundesverbandes, Rolf Stuppardt, der "Berliner Zeitung". Gesundheitsschädliche Lebensmittel, meint Stuppardt, sollten ebenfalls schärfer ins Visier des Fiskus rücken: "Wo immer eindeutig gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen werden, sollten diese Nahrungsmittel höher besteuert werden." Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) lehnte das Ansinnen nach einer höheren Alkoholsteuer jedoch umgehend ab. Sie habe sich einzig und allein für die Anhebung der Tabaksteuer eingesetzt, sagte sie gestern. "Andere Steuererhöhungen habe ich nicht geplant." Die Ärzteschaft ist mit der Verteuerung der Zigaretten sehr einverstanden. "Das ist nachvollziehbar und gut", sagte Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Auch der Vorsitzende der Ersatzkassenverbände, Herbert Rebscher, sowie der Verband der Angestellten-Krankenkassen unterstützen den Plan der Regierung. Massive Kritik kam dagegen von der Union. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bezeichnete "Rauchen für die Gesundheit" als "Gift" für die Konjunktur. Die Regierung habe noch "keinen einzigen neuen Arbeitsplatz" geschaffen, erhöhe aber schon wieder eine Steuer. Horst Seehofer (CSU) sprach von einer "gigantischen Volksverdummung". Es gehe nicht zusammen, wenn die Maßnahme als Beitrag zur Volksgesundheit bezeichnet werde, der Finanzminister aber damit kalkuliere, dass die Deutschen "auf hohem Niveau weiterrauchen". Der Sprecher des Finanzministeriums, Jörg Müller, sagte, es sei schwierig, das künftige Verhalten der Raucher einzuschätzen. Eine verlässliche Vorhersage des zusätzlichen Steueraufkommens sei daher nicht möglich. Müller stellte zudem klar, dass in der Anhebung von einem Euro die Mehrwertsteuer schon enthalten sei. Befürchtungen ganz anderer Art kommen von den Zigarettenherstellern. So fürchtet der Verband der Cigarettenindustrie (vdc), dass die Raucher nun verstärkt auf Schmuggelware ausweichen. Schon heute verliere der Fiskus dadurch eine Milliarde Euro im Jahr, schätzen die Tabakhändler. Der vdc beklagte, wie schon zur Finanzierung der Sicherheitspakete würden die Raucher erneut als "Melkkuh der Nation" herangezogen. Der vdc und der Bundesverband Deutscher Tabakgroßhändler sowie Automatenaufsteller fürchten zudem einen "Kahlschlag" in der rund 100 000 Arbeitnehmer umfassenden Branche. Unterdessen ist der wild gegen die Tabaksteuerpläne vorgehenden CDU eine peinliche Panne passiert. Während CDU-Vize Seehofer noch munter gegen diese "gigantische Volksverdummung" zu Felde zog, wurde bekannt, dass zwei Mitglieder der Unionsfraktion erst im April zweimal vehement eine Tabaksteuererhöhung forderten. Am 11. April taten die Abgeordneten Gerlinde Kaupa (CSU) und Jens Spahn (CDU) in einer offiziellen Pressemitteilung der Fraktion kund: "Die Tabaksteuer ist deutlich zu erhöhen. Die Mehreinnahmen sollen zweckgebunden der Krankenversicherung zugeführt und in Präventionsmaßnahmen investiert werden."