69 Prozent der Befragten lehnen das Betreuungsgeld ab. Eine höhere Rentenzahlungen für Mütter dagegen finden die meisten Deutschen sehr gut.

Berlin. Die schwarz-gelbe Koalition streitet noch immer heftig über das Betreuungsgeld. Die Bevölkerung hat dagegen längst eine klare Position bezogen. Zwei Drittel der Bundesbürger lehnen die oft als "Herdprämie" verspottete Maßnahme ab. Eine andere Familienleistung - die stärkere Anrechnung der Erziehungszeiten auf die Rente von Müttern - erntet dagegen überraschenderweise viel Applaus. Allen voran die Anhänger der Piraten sind begeistert.

Das ist das Ergebnis des aktuellen Deutschlandtrends von Infratest dimap im Auftrag der ARD-"Tagesthemen" und der "Welt". Demnach lehnen es 69 Prozent der Befragten ab, dass Eltern künftig monatlich 150 Euro erhalten, wenn sie keinen Kita-Platz in Anspruch nehmen und ihr Kind zu Hause betreuen. Auch 62 Prozent der CDU-Anhänger lehnen das Betreuungsgeld entschieden ab. Bei den Grünen sind es sogar 83 Prozent. Und selbst bei den Sympathisanten der Piraten überwiegt inzwischen die Skepsis, nachdem sich im April noch eine knappe Mehrheit für das Betreuungsgeld ausgesprochen hatte. Insgesamt begrüßen gerade einmal 29 Prozent der Bundesbürger die umstrittene familienpolitische Maßnahme, deren Kosten auf 1,2 Milliarden Euro jährlich geschätzt werden.

Grundsätzlich aber wollen die Bürger schon, dass die Erziehungsleistung der Eltern von staatlicher Seite anerkannt und auch entsprechend honoriert wird. Großen Zuspruch findet der Vorschlag von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), Erziehungszeiten in Zukunft stärker auf die Rente anzurechnen. So sollte Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der Rentenversicherung nicht wie bisher nur ein Arbeitsjahr, sondern insgesamt drei Jahre gutgeschrieben werden. Ihre monatliche Rente würde sich um 50 Euro erhöhen.

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Die jährlichen Kosten würden sich auf bis zu sieben Milliarden Euro summieren. Die Anerkennung von längeren Erziehungszeiten wäre damit noch sehr viel teurer als das Betreuungsgeld, trotzdem sprechen sich parteiübergreifend 80 Prozent der Bundesbürger dafür aus. Am deutlichsten ist der Zuspruch wie gesagt bei den Anhängern der Piraten, von denen sogar 90 Prozent den Kauder-Vorschlag unterstützen.

Quer durch alle Parteien mit Ausnahme der Linken bevorzugt eine klare Mehrheit auch den Sparkurs, der im europäischen Fiskalpakt festgeschrieben ist. Neue, teilweise kreditfinanzierte Wachstumsprogramme lehnen die Deutschen ab. Insgesamt 55 Prozent der Deutschen befürworten den Sparkurs, 33 Prozent neue Wachstumsprogramme. Nach Parteien aufgeschlüsselt sind 63 Prozent der Unionsanhänger, je 58 Prozent der Anhänger von Piraten beziehungsweise Grünen und 53 Prozent der SPD-Anhänger für den Sparkurs. Bei der Linkspartei sind hingegen lediglich 24 Prozent für den Vorrang des europäischen Fiskalpakts.

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Auch wenn Kauder-Plan und Sparkurs große Anerkennung finden, wächst doch insgesamt die Kritik an der Arbeit der Bundesregierung. So hält die Mehrheit der Bürger (81 Prozent) die vom schwarz-gelben Kabinett beschlossene staatliche Kontrolle der Benzinpreise für ein reines Wahlkampfmanöver kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Sogar 64 Prozent der Unionsanhänger sehen das so.

Nur 13 Prozent glauben, dass es der Bundesregierung tatsächlich um die Sache geht. Und eine Minderheit von gerade einmal zwölf Prozent geht davon aus, dass die Maßnahme dazu führen wird, die Preise für Benzin und Diesel auf Dauer zu senken. Nur jeder dritte Bundesbürger ist denn auch noch mit Schwarz-Gelb zufrieden. Bei der vorangegangenen Befragung im Februar hatten dagegen noch 42 Prozent der Bundesregierung ein gutes bis sehr gutes Zeugnis ausgestellt.

Auch in den eigenen Reihen nimmt die Zufriedenheit mit der Koalition ab. So sind im Unionslager zwar noch 65 Prozent mit der Regierungsleistung zufrieden. Das sind aber vier Prozentpunkte weniger als im Februar. Grund für den schwindenden Zuspruch bei den Wählern dürften unter anderem die zunehmenden Gegensätze innerhalb der Koalition sein. So hat FDP-Generalsekretär Patrick Döring gerade erst gedroht, die Vereinbarung der Koalition zum Betreuungsgeld infrage zu stellen, sollte die Union den Mindestlohn vorantreiben. Es stehe der Union frei, eigene Positionen mal wieder zu verändern, sagte Döring. Es werde dann aber auch zu klären sein, warum Teile der Union und die FDP aus Vertragstreue ein zweifelhaftes Betreuungsgeld mittragen sollten.

Das höchste Ansehen in der Bevölkerung erreicht der überparteiliche Bundespräsident Joachim Gauck. Er ist zwar erst seit wenigen Wochen im Amt, lässt aber mit einem Zuspruch von 70 Prozent alle Parteipolitiker weit hinter sich. Allein im Vergleich zum Vormonat hat er noch einmal um sechs Prozentpunkte zugelegt. Die Mehrheit ist mit der Arbeit Gaucks zufrieden. Besonders populär ist der Bundespräsident bei den Anhängern der Grünen (85 Prozent). Am geringsten dagegen ist die Zustimmung erwartungsgemäß bei den Linken (38 Prozent). Aber immerhin: Innerhalb der Linken finden ihn mehr Parteigänger gut als schlecht. Nur 30 Prozent sind mit dem Bundespräsidenten unzufrieden.

Trotz wachsender Kritik an der Arbeit der Bundesregierung folgt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit 61 Prozent gleich nach Gauck auf dem zweiten Platz. Sie hat im Vergleich zum Vormonat zwei Prozentpunkte verloren und liegt jetzt nur noch knapp vor Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit 60 Prozent. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier muss einen leichten Ansehensverlust hinnehmen (54 Prozent) und fiel hinter Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zurück, der um zwei Punkte auf 57 Prozent zulegt. Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält sich auch als Oppositionspolitiker noch immer weit vorn in der Beliebtheitsskala (50 Prozent) - ein Punkt weniger als im April. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verliert fünf Punkte und erreicht nur noch 42 Prozent. Beliebteste Grünen-Politikerin ist Parteichefin Claudia Roth, die unverändert 38 Prozent erreicht.

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer verlieren deutlich an Zustimmung und fallen auf 35 Prozent ab. Ein Wert, den auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erreicht und der für ihn ein persönliches Hoch markiert. Es ist sein bester Wert seit mehr als zwei Jahren, und er ist damit mehr als doppelt so beliebt wie Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler. Dieser verliert noch einmal einen Punkt und rutscht mit 16 Prozent erneut auf einen Minusrekord.

Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würden 34 Prozent der Befragten der Union ihre Stimme geben, ein Punkt weniger als im Vormonat. Die FDP würde auf vier Prozent zulegen, damit aber immer noch unter der Fünf-Prozent-Marke bleiben und den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen. Die SPD legt leicht zu und kommt auf 28 Prozent. Die Grünen halten sich derzeit stabil bei 14 Prozent und liegen damit weiterhin vor den Piraten, die um einen Punkt auf elf Prozent steigen und damit den Abstand auf die Grünen verkürzen. Die Linke fällt im bundesweiten Durchschnitt um einen Punkt auf sechs Prozent. Im Westen liegt die Zustimmung nur bei drei Prozent. Im Osten dagegen landet die Linke mit 18 Prozent vor den Piraten mit zwölf Prozent und den Grünen mit acht Prozent. Stärkste Partei wäre die CDU mit 29 Prozent, gefolgt von der SPD mit 25 Prozent.