Berlin. In der Diskussion über die Erziehung von Kindern zu Hause oder in der Kindertagesstätte ist nun auch eine Kita-Pflicht im Gespräch. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", er befürworte, eine allgemeine "Kita-Pflicht sachlich zu diskutieren", auch wenn zunächst dafür die Kita-Plätze geschaffen werden müssten. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte, es müsse sichergestellt werden, dass alle Kinder in die Kita gehen.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) lehnte eine allgemeine Kita-Pflicht umgehend ab. "Wer eine Kita-Pflicht ab dem ersten Geburtstag will, muss ein ziemlich verqueres Menschenbild haben", sagte Schröder der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Er traut Familien pauschal weder ein eigenes Urteilsvermögen noch die Fähigkeit zu, sich sorgfältig um die Entwicklung ihrer Kinder kümmern zu können." Eltern brauchten "keine Zwangskita-Androhung für alle, sondern eine Kita-Platz-Garantie für diejenigen, die den Betreuungsplatz aus eigener Entscheidung wollen", sagte Schröder weiter.

Auch die CSU lehnt eine Pflicht zum Kita-Besuch ab. "Eine Zwangskita werden wir unter keinen Umständen zulassen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Süddeutschen Zeitung". Er nannte es einen Anschlag auf die Freiheit der Familien, wenn Eltern ihre Kinder nach einem Jahr "beim Staat abliefern sollen". Das Betreuungsgeld werde die schwarz-gelbe Bundesregierung durchsetzen, "weil es den Familien mehr Freiheit statt staatlichen Kita-Zwangs gibt", sagte Dobrindt.

Ab Sommer 2013 tritt ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in Kraft. Die Koalition hat beschlossen, parallel dazu auch das Betreuungsgeld einzuführen. Es soll nach den Plänen der Bundesregierung an Eltern ausgezahlt werden, die ihr Kleinkind nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagesstätte schicken. Sie sollen zunächst 100 Euro und später 150 Euro erhalten.

Nach Einschätzung der SPD-Politikerin Manuela Schwesig würde das Betreuungsgeld die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr gefährden. "In vielen Regionen schlagen die Kommunen Alarm, weil sie Sorge haben, dass sie den bedarfsgerechten Ausbau bis dahin nicht schaffen", schrieb die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern in einem Beitrag für die "Rhein-Zeitung".

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) forderte dagegen die Ländern und Kommunen auf, auf bestimmte Bauvorschriften wie Vorgaben für Deckenhöhen und getrennte Toiletten für weibliche und männlich Erzieher zu verzichten. Die Umsetzung des Rechtsanspruchs werde vielerorts durch überhöhte Baunormen behindert, sagte Schröder der "Saarbrücker Zeitung".

Von den Sondermitteln des Bundes für den Kita-Ausbau in den Ländern sind der Zeitung zufolge bisher gut 1,4 Milliarden Euro abgeflossen, 700 Millionen Euro stünden noch bereit. Schröder wies darauf hin, dass die Länder zuerst alle Bundesmittel abrufen dürften und erst dann mit Landesgeldern in der Pflicht seien.