Heute Abend findet im Kanzleramt das mögliche Finale um den Ausstieg aus der Atomenergie statt. Acht Kraftwerke stehen vor sofortigem Aus.

Berlin. Kurz vor dem Spitzentreffen im Kanzleramt zum Atomausstieg macht sich CSU-Chef Horst Seehofer für ein endgültiges Ende innerhalb von zehn Jahren stark. Er beruft sich dabei auf die Empfehlung der 17-köpfigen Ethikkommission, die einen Ausstieg bis spätestens 2021 für machbar hält. „Ich werde das Ergebnis der Ethikkommission zur Grundlage der Beratungen im Koalitionsausschuss machen“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Der CSU-Chef lobte das Votum der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzten Kommission als „entscheidenden Beitrag für einen gesamtgesellschaftlichen Konsens“.

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte, den Empfehlungen zu folgen. „Die Kanzlerin muss sich endlich entscheiden: Will sie nur einen billigen Burgfrieden in ihrer zerstrittenen Koalition, oder will sie einen breiten Energiekonsens? Jetzt muss die Kanzlerin die Empfehlungen ihrer Ethikkommission in der Koalition durchsetzen“, sagte Gabriel dem Blatt. Gleichzeitig signalisierte er Einigungsbereitschaft für einen Atomkonsens: „Für die SPD ist klar: Wir wollen einen Energiekonsens, der länger hält als nur eine Legislaturperiode. Wir sind bereit, auch schwierige Entscheidungen mitzutragen.“

Die Spitzen der Koalition von Union und FDP wollen an diesem Sonntagabend im Kanzleramt die Details des geplanten Atomausstiegs besprechen. Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima hatte sich die Regierung zu einer Kehrtwende in ihrer Atompolitik entschlossen. Erst im Herbst 2010 hatte die Regierung die Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert.

Es wird erwartet, dass sich Kanzlerin Merkel mit den zuständigen Ministern auf ein Ausstiegsdatum und die Zahl sofort stillzulegender Kernkraftwerke verständigt. Dem Vernehmen nach stehen die sieben ältesten Anlagen und der Meiler Krümmel vor dem Aus, auch wenn die FDP noch Bedenken hat. Fraktionschef Rainer Brüderle sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, es sei angesichts einer Gefahr von Stromausfällen noch nicht entschieden, dass die acht vorläufig abgeschalteten AKW vom Netz blieben. Der Atomausstieg könne „nur unter bestimmten Bedingungen mit einem Enddatum versehen“ werden. „Wenn wir das Tempo beim Leitungsausbau für die erneuerbaren Energien nicht beschleunigen, scheitern wir am Ende.“

Die umstrittene Atomsteuer der Konzerne könnte bleiben. Bei einem Aus für bis zu acht Meiler würde sie aber nach Berechnungen des Öko-Instituts statt 2,3 nur noch 1,3 Milliarden Euro jährlich bringen. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte sich im „Tagesspiegel“ für den Erhalt stark. Die Steuer war fest im Sparpaket der Regierung eingeplant. Bei einem Aus müsste das Geld wohl an anderer Stelle eingespart werden.

Die Regierung hatte betont, die Steuer auf neue Brennelemente sei unabhängig von der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung eingeführt worden. Dies stellen aber Koalitionspolitiker nun infrage. Zur Abschöpfung der Gewinne aus längeren Laufzeiten war ein Ökoenergiefonds errichtet worden zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Er soll auch mit Geld aus dem Verkauf von CO2-Verschmutzungsrechten gespeist werden. Durch eine Rücknahme der längeren Laufzeiten würden die Milliardenzahlungen der Konzerne entfallen.

Die Bundesregierung will den Energie- und Klimafonds aber laut „Spiegel“ anderweitig aufstocken. Schon vom nächsten Jahr an sollen sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten dort hineinfließen. Die Bundesregierung rechne dabei ab 2013 im Schnitt mit einem Aufkommen von jährlich rund 3,3 Milliarden Euro. Finanzminister Wolfgang Schäuble(CDU) wolle zur Unterstützung der Energiewende darauf verzichten, bis zu 900 Millionen jährlich aus den Einnahmen für den Bundeshaushalt abzuzwacken.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) warnte vor zu viel Eile: „Entscheidend ist doch nicht, ob wir den Atomausstieg ein oder zwei Jahre früher oder später hinbekommen. Entscheidend ist, dass wir ihn gut gestalten und dabei die Versorgungssicherheit und die Preise berücksichtigen“, sagte sie dem „Spiegel“. Anderenfalls fürchtet Kraft Wettbewerbsnachteile für die energieintensive Aluminium-, Stahl- und Chemieindustrie. Kraft, die Bundesratspräsidentin ist, forderte Merkel auf, die Länderkammer umfassend zu beteiligen. „Wenn Frau Merkel wirklich vorhat, die Länder zu umgehen, ist das ein neuer Vertrauensbruch“, sagte Kraft. „Die Energiewende kann nur im Konsens mit den 16 Ministerpräsidenten gelingen – und nicht als eiliger Alleingang der Kanzlerin.“ (dpa)