Der Bundespräsident sprach von wirtschaftlichen Interessen. Die Linken empörten sich: „Herr Köhler hat die Katze aus dem Sack gelassen“

Berlin. Mit seinen missverständlichen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hat Bundespräsident Horst Köhler für helle Aufregung in Berlin gesorgt – auch Reihen der Regierungskoalition. Die SPD hat Köhler gerügt. Deutschland führe in Afghanistan „keinen Krieg um Wirtschaftsinteressen, sondern es geht um unsere Sicherheit“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, zu „Spiegel Online“. Köhler schade mit seinen Äußerungen der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Köhler hatte am Wochenende nach einem Besuch bei den deutschen Soldaten in Afghanistan in einem Interview von Deutschlandradio Kultur einen Zusammenhang zwischen den Auslandseinsätzen und deutschen Wirtschaftsinteressen hergestellt.

Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz zeigte Verständnis für die nach Angaben des Senders zahlreichen Zuschriften empörter Zuhörer. „Ich glaube, der Bundespräsident hat sich hier etwas missverständlich ausgedrückt.“ Allerdings habe er keine neue Militärdoktrin für Deutschland verkünden wollen. Vielmehr habe Köhler deutlich machen wollen, dass Deutschland mit seinem Beitrag in Afghanistan einen Beitrag zur internationalen Sicherheit und Stabilität leiste.

Deutschland habe ein Interesse am freien Zugang zu Rohstoffen. Dies stehe aber in keinem Zusammenhang mit Militäreinsätzen, unterstrich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Bei Köhlers Äußerungen habe es sich um „keine besonders glückliche Formulierung“ gehandelt.

Wörtlich sagte der Bundespräsident laut Mitschrift des Senders: „Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganz regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“

Kritik kam auch vom Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Preuß. „Das ist eine durch das Grundgesetz schwerlich gedeckte Erweiterung der zulässigen Gründe für einen Bundeswehreinsatz um wirtschaftliche Interessen“, sagte er „Spiegel Online“. Da sei ein „imperialer Zungenschlag“ erkennbar.

Die Linken drängen nach den umstrittenen Äußerungen des Bundespräsidenten auf einen schnellen Abzug der Bundeswehr. „Wir fordern, dass der Krieg sofort beendet wird und wir haben Forderungen aufgestellt, den Abzug der Bundeswehr bis zum Ende dieses Jahres zu realisieren“, sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch. Das Grundgesetz verbiete Wirtschaftskriege. Der Bundestag müsse eine neue ernsthafte Debatte über den Afghanistan-Einsatz führen.

„Herr Köhler hat ganz einfach die Katze aus dem Sack gelassen“, sagte Lötzsch. Dass es im Afghanistan-Einsatz um wirtschaftspolitische Interessen gehe, habe Köhler „bewusst oder unbewusst ausgeplaudert.“ Lötzsch kritisierte außerdem Köhlers Äußerungen in seinem Interview mit Deutschlandradio Kultur, man müsse sich an Tote im Krieg gewöhnen. Weder sie persönlich, noch ihre Partei sei bereit das zu akzeptieren, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.