Tausende treten aus oder schließen sich der evangelischen Kirche an. Die neuen Missbrauchs-Vorwürfe im Fall Mixa zwingen Papst Benedikt XVI. nun zum Handeln

Hamburg/Augsburg. Es ist die klassische Wortwahl eines prominenten Sünders. Erst ist das Herz rein, dann getrübt. Schließlich schmerzt es. An diesem Punkt aber ist die Beziehung zwischen der kritischen Öffentlichkeit und einem Lügner bereits zerbrochen. Walter Mixa (69) steht in dieser unguten Tradition skandalumtobter Politiker und Priester.

Nach den Vorwürfen, er habe Kinder geschlagen, sagte der Augsburger Bischof: "Ich habe ein reines Herz." Weil das vielen zu schwammig war, legte er nach: "Ich versichere nochmals, dass ich zu keiner Zeit gegen Kinder und Jugendliche körperliche Gewalt in irgendeiner Form angewandt habe."

Später wollte er "die eine oder andere Watsch'n" nicht ausschließen. In seiner Abschiedsbotschaft, die mit der Abberufungsbitte an Papst Benedikt XVI. an die Katholiken herausging, ließ Mixa verbreiten: "Es tut mir im Herzen weh und leid, dass ich vielen Menschen Kummer bereitet habe. Ich bitte um Verzeihung."

Reue und Vergebung sind wegen der neuen Vorwürfe gegen Mixa jedoch weit entfernt. Sein Anwalt dementierte, dass sich der umstrittene Bischof an einem minderjährigen Jungen vergriffen hat. Und natürlich gilt auch für den Bischof die Unschuldsvermutung. Doch jede der kontroversen Aussagen Mixas wird jetzt neu beleuchtet.

Vor wenigen Wochen hatte Mixa der "sogenannten sexuellen Revolution" eine Mitschuld am "Übel des Kindesmissbrauchs" gegeben. Damit stellte er sich vor die Geistlichen, die sich schweren Vorwürfen ausgesetzt sahen, und attackierte die Kirchenkritiker.

Schon die Vorwürfe der Kindesmisshandlung und der finanziellen Ungereimtheiten des patriarchalischen Bischofs haben die Gläubigen in seinem Einflussbereich und weit darüber hinaus verunsichert. Die Bistumsverantwortlichen hielten sich zunächst zurück. Mit dem neuen Verdacht gehen sie nun offensiv um. Sie setzten selbst die Staatsanwaltschaft gegen Mixa in Bewegung. Das war bereits eine Konsequenz aus den Beschlüssen der Bischofskonferenz.

"Im Moment geht eine Bewegung durch die Kirche. Die Vertreter der Bischofskonferenz sind überfordert, sie wollen Richtlinien", sagte Esther Klees, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung. Der Verband berät mit der Deutschen Bischofskonferenz Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen. Noch im Mai soll es aus dieser Arbeitsgruppe "Handreichungen" für die Bischöfe geben.

Klees sagte: "In allen Einrichtungen sind die Mitarbeiter verunsichert. Darf ein Kind noch auf dem Schoß eines Verantwortlichen sitzen?"

Im Bistum Augsburg sollen 5100 Katholiken in den vergangenen vier Monaten der Kirche den Rücken gekehrt haben. Das sind dreimal mehr als zu vergleichbaren Zeiten. Auch aus anderen Bistümern sind ungewöhnlich viele Austritte vermeldet worden. Wegen der Missbrauchsskandale wechseln offenbar mehr Katholiken zur evangelischen Kirche als sonst. Mehrere evangelische Landeskirchen berichteten von einem zunehmenden Interesse ehemaliger Katholiken am Übertritt.

Vor allem die großen Landeskirchen Hannover und Rheinland sowie die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau verzeichneten ein reges Interesse von Katholiken. "Es ist eindeutig, dass es mehr geworden sind", sagte Stephan Krebs von der Landeskirche Hessen und Nassau.

Mixa hält sich in einer Schweizer Klinik auf und wartet auf eine Botschaft des Papstes, den er persönlich gut kennt. Benedikt XVI. wird Mixas Amtsverzicht vermutlich am heutigen Sonnabend zustimmen. Zuletzt reiste der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, mit den Bischöfen Reinhard Marx (München) und dem Augsburger Weihbischof Anton Losinger zur Sonderaudienz nach Rom. Das Oberhaupt der Katholiken sieht sich auch vor der Portugalreise vom kommenden Montag an erneut mit dem Dauerthema Missbrauch konfrontiert. In Malta sprach er zuletzt wieder mit Opfern und schien tief betroffen.

Nach einer Audienz im Vatikan erklärte die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard, der Papst werde zu den Missbrauchsfällen eine bedeutende Botschaft verfassen: "Der Papst wird diesbezüglich offenbar in diesem Jahr noch Akzente setzen", sagte Leuthard.