Internetdaten sollen über Kreditwürdigkeit entscheiden. Ministerin warnt vor Big Brother

Hamburg. Datenschützer und Politiker aller Parteien sind entsetzt über Pläne der Kreditauskunft Schufa, soziale Netzwerke wie Facebook als Quelle zu nutzen, um so die Bonität von Verbrauchern zu beurteilen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, das Vorhaben sei nicht hinnehmbar. Es bestehe zum Beispiel die Gefahr, dass man aufgrund von Internetkontakten keinen Handyvertrag bekomme.

Der NDR hatte berichtet, die Schufa wolle im Internet gezielt Daten über Millionen Verbraucher sammeln. Dazu habe man dem Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI) einen Forschungsauftrag erteilt. Auf Facebook etwa sollten Kontakte zwischen den Mitgliedern registriert werden, um Beziehungen zwischen Personen zu untersuchen und dabei Zusammenhänge mit der Kreditwürdigkeit der Betroffenen herzustellen, berichtete der Sender unter Berufung auf vertrauliche Informationen. Auch berufliche Netzwerke wie Xing und LinkedIn, der Kurznachrichtendienst Twitter, Geodatendienste wie Google Street View und selbst Mitarbeiterverzeichnisse von Firmen oder den Autorenkatalog der Deutschen Nationalbibliothek wolle die Schufa unter die Lupe nehmen. Zugleich sollten offensichtlich "Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützer und Journalisten" identifiziert werden. Ob man diese gezielt bevorteilen oder benachteiligen will, ist unbekannt.

Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sagte dem Abendblatt: "An diesem Fall wird wieder einmal deutlich, dass Menschen jeden Alters vorsichtig sein sollten, welche Daten sie zu welchen Bedingungen im Internet preisgeben." Ein sorgloser Klick auf ein "Ich akzeptiere"-Feld bei allgemeinen Geschäftsbedingungen könne schwerwiegende Folgen haben. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte rasche Aufklärung von der Schufa. "Es kann nicht sein, dass soziale Netzwerke systematisch nach sensiblen Daten abgegrast werden", sagte Aigner dem "Münchner Merkur". Die Schufa dürfe kein "Big Brother" werden.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte dem Abendblatt: "Dieses Forschungsvorhaben verdeutlicht, wie Auskunfteien und andere professionelle Datensammler ihre ohnehin schon großen Datenbestände noch um ein Zigfaches vergrößern können." Der Vorgang zeige, wie Daten aus Facebook und anderen Internetquellen "ohne Wissen der Betroffenen ausgeforscht und zu Geld gemacht werden können".

Schufa und Hasso-Plattner-Institut (HPI) wiegeln ab. Es gehe nur um eine "Ideenliste" und allgemeine Daten aus dem Internet, hieß es. HPI-Leiter Felix Naumann sagte, es sei "weder geplant noch vertraglich vereinbart, personenbezogene Daten der Schufa zur Verfügung zu stellen". Facebook hat bundesweit (inkl. Doppelmitgliedschaften) bis zu 20 Millionen Nutzer. Im persönlichen Profil kann man Daten nur für bestimmte Gruppen sichtbar machen.

Vorstandsvorsitzender der Schufa ist der frühere Hamburger Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Er wollte sich gegenüber dem Abendblatt nicht zu den Vorwürfen äußern. Im Aufsichtsrat sitzt auch der Finanz- und IT-Vorstand des Hamburger Unternehmens Otto, Jürgen Schulte-Laggenbeck. Kunden der Schufa sind Banken, Versicherungen, aber auch Telekommunikationsanbieter und Internethändler. Jeder Bürger hat das Recht, einmal im Jahr kostenlos zu erfahren, welche Daten die Schufa über ihn gespeichert hat.