Zum Angriff auf die deutsche Vertretung in Khartum hatte ein bekannter Scheich aufgerufen. Drei Tote bei Sturm auf US-Botschaft in Tunis.

Hamburg. Die Proteste in der arabischen Welt nach der Veröffentlichung eines islamfeindlichen Videos auf YouTube sind auch am Freitag weitergeführt worden - mehr noch: Die Welle der Gewalt gegen westliche Einrichtungen hat auch erstmals eine deutsche Vertretung erfasst.

Im Sudan griff ein rund 5000 Menschen starker Mob die Botschaft in der Hauptstadt Khartum an. Dort versuchten Demonstranten, die deutsche und die britische Botschaft zu stürmen. Die Polizei feuerte Tränengas, um die Menge zu zerstreuen, berichteten Augenzeugen. Mehrere tausend Menschen sollen Steine auf die Gebäude geworfen haben, die beiden Botschaften lieben nebeneinander. Außerdem versuchten die Demonstranten laut Augenzeugen, die Tore der Botschaften zu durchbrechen.

Die Demonstranten legten Feuer, rissen die deutsche Flagge herunter und ersetzten sie durch eine schwarze Fahne. Die Polizei setzte Tränengas ein, konnte die Angreifer aber offenbar nur mit Mühe abwehren. Auch die britische Botschaft in Khartum wurde attackiert.

Angehörige der deutschen Botschaft wurden nach Angaben von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nicht verletzt. "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Sicherheit“, sagte er am Freitag in Berlin. Dies habe ihm der deutsche Botschafter in Khartum versichert.

+++ Rätsel um Mohammed-Film - Wer verbirgt sich dahinter? +++

Aufgebrachte Demonstranten hätten Teile der Botschaft in Brand gesetzt, sagte Westerwelle. Von der sudanesischen Regierung verlangte er, die Sicherheit der Botschaft und deren Integrität wiederherzustellen. Der Außenminister verurteilte das Schmähvideo gegen den Propheten Mohammed aufs Schärfste. Aus Sorge vor Übergriffen war der sudanesische Botschafter in Berlin schon vor dem Sturm auf das Gebäude einbestellt worden.

Die sudanesische Regierung hatte den Internet-Film nach einem Bericht der Zeitung "Sudan Tribune“ am Donnerstag scharf verurteilt. Islamistische Gruppen hatten daraufhin zu gewaltsamen Protesten nach dem Freitagsgebet aufgerufen. Sie forderten zudem die Ausweisung des amerikanischen und des deutschen Botschafters. Bereits am Mittwoch hatten hunderte aufgebrachte Moslems vor der US-Botschaft in Khartum protestiert.

Die höchste Behörde der sudanesischen Islamisten (CIJ) bezeichnete den Film als weitere "himmelschreiende Aggression seitens der Feinde des Islam gegen den Unantastbaren“. Die CIJ bezog sich auch auf angebliche beleidigende Mohammed-Cartoons an Wänden von Berliner Moscheen.

Die deutsche Botschaft in Khartum ist freitags normalerweise geschlossen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hielt sich Botschafter Rolf Welberts zum Zeitpunkt der Angriffe nicht auf dem Gelände auf. Für Sonntag haben islamistische Gruppen zu neuen Protesten vor der Botschaft aufgerufen.

Lesen Sie hier die neuesten Entwicklungen in der arabischen Welt:

22.19 Uhr: UN-Generalsekretär Ban Ki Moonhat zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. Es gebe keine Rechtfertigung für die Tötungen und die Brutalität, die der im Internet aufgetauchte islamkritische Film ausgelöst habe, sagte Ban. Es sei beschämend, wenn das Grundrecht auf Meinungsfreiheit durch einen bewusst provozierenden, "hasserfüllten und ekelerregenden Film“ ausgenutzt werde. Ebenso falsch sei es aber auch, die Wut über den Film auszunutzen, die nur einen Kreislauf von Vorwürfen und sinnloser Gewalt in Gang halte, sagte Ban bei einer Sitzung der UN-Vollversammlung.

21.39 Uhr: Bei Zusammenstößen nahe der US-Botschaft in Kairo ist nach offiziellen Angaben ein Demonstrant getötet worden. Der 20-Jährige sei am Freitag seinen Verletzungen durch Gummigeschosse erlegen, teilte der Mitarbeiter eines Leichenschauhauses mit. Seit Tagen hatten mehrere Hundert Demonstranten versucht, die US-Botschaft in der Hauptstadt zu erreichen, um dort gegen das Mohammed-Video zu protestieren. Als die Polizei sie daran hinderte, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

20.22 Uhr: Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verurteilt die Botschafts-Angriffe. Die Attacken gegen die deutsche und britische Botschaft im Sudan seien "absolut inakzeptabel“, sagte Barroso in einer in Brüssel verbreiteten Mitteilung. "Das ist gegen alle Regeln der zivilisierten Welt“, sagte Barroso. "Nichts rechtfertigt solche Angriffe.“ Er hoffe auf eine friedliche, respektvolle Lösung. Barroso sprach Deutschland, Großbritannien und "allen, die sich in diesem Moment bedroht fühlen“ sein Mitgefühl und seine Solidarität aus.

20.01 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich sehr besorgt über die Ausschreitungen in der arabischen Welt geäußert. "Ich verurteile die Angriffe auf die deutsche Botschaft in Khartum sowie auf mehrere amerikanische Botschaften in aller Schärfe“, erklärte Merkel am Abend in Berlin. "Gewalt darf nie Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Religiöser Fanatismus darf nicht die Oberhand gewinnen.“ Deutschland trete für einen respektvollen Umgang mit allen Glaubensrichtungen und für einen Dialog der Religionen ein. Sie rufe alle Beteiligten zu Ruhe und Besonnenheit auf, betonte Merkel. "Die arabischen Regierungen müssen alles tun, um die Sicherheit der diplomatischen Vertretungen zu gewährleisten.“

19.31 Uhr: Bei den Protesten in Tunis sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. 28 weitere seien verletzt worden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur des Landes.

19.15 Uhr: Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) hat die Ausschreitungen gegen die deutsche Botschaft im Südan verurteilt. Der Angriff in Khartum zeige "den Irrsinn dieser Proteste“, erklärte KRM-Sprecher Ali Kizilkaya in Köln. Es könne nicht sein, "dass ein Schundwerk übelster Machart jedes Mal solche gewalttätigen Reaktionen“ nach sich ziehe. Kizilkaya nannte den Angriff auf die diplomatische Vertretung der Bundesrepublik "völlig unverständlich“. Den Gewalttätern sei der Anlass für ihre Taten vollkommen egal. Mit einer besonderen Sorge um den Propheten Mohammed oder den islamischen Glauben hätten solche Aktion nichts gemein.

18.53 Uhr: Der italienische Ministerpräsident Mario Monti hat Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Solidarität ausgedrückt. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin nach einem Telefon der beiden Politiker. Merkel und Monti teilten die Sorge angesichts der beunruhigenden Entwicklungen in der arabischen Welt, erklärte Seibert.

18.40 Uhr: Die sudanesische Polizei hat nach Zeugenangaben vor der US-Botschaft in Khartum das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Es war zunächst unklar, ob es Demonstranten gelang, ins Innere der Botschaft vorzudringen. Mindestens drei Personen seien verletzt worden und lägen regungslos am Boden, berichteten die Zeugen.

18 Uhr: Außenminister Guido Westerwelle hat mit seinem sudanesischen Amtskollegen Ali Karti telefoniert. In dem Gespräch hat Westerwelle die Angriffe auf die Botschaft in Khartoum verurteilt und die umgehende und umfassende Sicherung der Auslandsvertretung gefordert, wie ein Außenamtssprecher in Berlin mitteilte. Der sudanesische Außenminister habe zugesichert, dass seine Regierung alles tun werde, um die Sicherheit zu gewährleisten.

17:57 Uhr: Ein Sprecher der US-Botschaft im Sudan teilt mit, dass alle Demonstranten vom Gelände der Vertretung in Khartum vertrieben wurden.

17.53 Uhr: Zum Marsch auf die deutsche Botschaft in Khartum hat der bekannte Scheich Mohammed Dschisuli aufgerufen. So sollten die Demonstranten gegen mutmaßlich anti-islamische Graffiti an Berliner Moscheen demonstrieren und anschließend vor der US-Vertretung gegen das im Internet aufgetauchte islamfeindliche Schmähvideo. "Amerika ist seit langem ein Feind des Islam und des Sudans“, sagte Dschisuli im staatlichen Rundfunk.

17.40 Uhr: US-Präsident Barack Obama hat angekündigt, am Abend auf den Luftwaffenstützpunkt der US-Air-Force in Washington zu kommen, um den überführten Leichen der vier in Libyen getöteten Diplomaten die Ehre zu erweisen.

+++ Hass auf Amerika entlädt sich gegen US-Botschaft im Jemen +++

17.36 Uhr: In Tunis haben Demonstranten jetzt auch Feuer in einer amerikanischen Schule gelegt.

17.19 Uhr: In Tunis hat eine Gruppe von Demonstranten die US-Botschaft gestürmt. Auf dem Gelände der Botschaft bricht Feuer aus. Mindestens fünf Demonstranten werden durch Gewehrschüsse der Polizei verletzt.

Hier wurde die Deutsche Botschaft angegriffen:

17.16 Uhr: In Afghanistan sind dem US-Verteidigungsministerium zufolge die Proteste bislang friedlich verlaufen. Dank gebühre dafür den Religionsführern, die sich gegen Gewalt ausgesprochen hätten.

17.10 Uhr: Die USA entsenden Marineinfanteristen in den Jemen, um die Sicherheit der US-Botschaft zu gewährleisten, teilt das US-Verteidigungsministerium mit.

17.04 Uhr: Vor der US-Botschaft in Tunis verhindern Sicherheitskräfte mit dem Einsatz von Tränengas, dass der Sicherheitsring um die Botschaft durchbrochen wird.

16.57 Uhr: Im Sudan springen Demonstranten über die Mauer der US-Botschaft. Gewehrfeuer ist zu hören.

16.34 Uhr: Demonstranten haben das Gelände der US-Botschaft in der tunesischen Hauptstadt Tunis gestürmt. Aufgebrachte Menschen sprangen über die Botschaftsmauer, berichteten Augenzeugen. Fenster wurden eingeschlagen, Bäume in Brand gesetzt.

Mit Material von dpa, rtr, dapd und kna