Kurz vor der Stichwahl um das Präsidentenamt hat das ägyptische Verfassungsgericht das Parlament aufgelöst. Nun muss neu gewählt werden.

Kairo. Das Verfassungsgericht in Kairo hat die Parlamentswahl nur zwei Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt für ungültig erklärt. Somit müsse das Parlament – das von Islamisten dominiert wird – neu gewählt werden, berichtete das Staatsfernsehen am Donnerstag weiter. Zugleich bestätigte das Gericht die Rechtmäßigkeit der Kandidatur von Ex-Minister Ahmed Schafik um das Präsidentenamt. Ein Gesetz, das ehemaligen Top-Funktionären aus der Zeit des früheren Präsidenten Husni Mubarak die Teilnahme am politischen Leben untersagt, sei verfassungswidrig.

Der von den Militärs vorgegebene Zeitplan für die Übergangszeit in Ägypten gerät mit der Entscheidung über die Parlamentswahl durcheinander. Vor dem Verfassungsgericht in Kairo kam es zu Kämpfen zwischen der Polizei und sogenannten jungen „Revolutionären“.

Der Islamist Abdul Moneim Abul Futuh, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ausgeschieden war, kritisierte, dass Schafik nicht ausgeschlossen und stattdessen die Parlamentswahl für ungültig erklärt wurde. Dies sei ein „Putsch“, vor allem da das Militär zuvor beschlossen habe, der Militärpolizei zu erlauben, Zivilisten festzunehmen.

Die Richter entschieden, das Unterhaus des Parlaments habe seine Legalität verloren, da ein Drittel der Sitze nicht verfassungsgemäß gewählt worden sei. Ein Teil des Wahlgesetzes, das auch Parteimitgliedern die Kandidatur für Sitze unabhängiger Kandidaten erlaubt hatte, sei verfassungswidrig. Das bedeute, dass die Abgeordneten der beiden Kammern des Parlaments neu gewählt werden müssen, meldete die staatliche Nachrichtenwebsite Al-Ahram unter Berufung auf das Gericht.

Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am Samstag und Sonntag kann Schafik nun gegen den Islamisten Mohammed Mursi antreten, der von der Muslimbruderschaft nominiert worden war. Schafik war unter dem früheren Präsidenten Mubarak erst Luftfahrtminister und zuletzt Regierungschef. Deshalb war bis zu dem Urteil nicht geklärt, ob er möglicherweise nicht an der Stichwahl teilnehmen kann, weil er Teil des alten Regimes war.

Hintergrund des Ausschlussverfahrens war ein Gesetz, das ehemaligen Top-Funktionären aus der Mubarak-Zeit die Teilnahme am politischen Leben untersagen sollte. Das Gesetz war noch vor der ersten Runde der Präsidentenwahl im Mai verabschiedet worden. Die Wahlkommission hatte sich damals jedoch für nicht zuständig erklärt, darüber zu entscheiden, ob es auf Schafik angewendet werden muss. Sie leitete den Fall an das Verfassungsgericht weiter. Das Parlament wird inzwischen von den Muslimbrüdern und den radikalen Islamisten der Salafisten-Bewegung dominiert.

Allerdings hat Mursi gute Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. So wäre ein Ausschluss von Schafik gar nicht unbedingt im Sinne der Muslimbrüder gewesen. Denn wenn der erste Wahlgang ohne Schafik hätte wiederholt werden müssen, wären Chancen anderer Kandidaten wie Hamdien Sabbahi und Amre Mussa, die dem linken und liberalen Lager zugerechnet werden, gestiegen.