Sowohl Anhänger als auch Oppositionelle sind entsetzt über die lebenslange Haft für den ägyptischen Ex-Präsidenten Husni Mubarak.

Kairo. Wut und Tränen in Ägypten: Ein Strafgericht in Kairo hat den früheren ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, 84, für seine Mitschuld am Tod von mehr als 850 Demonstranten im Januar und Februar 2011 zu lebenslanger Haft verurteilt. Damit zog die Justiz zum ersten Mal seit Beginn des Arabischen Frühlings einen vom Volk gestürzten Herrscher zur Rechenschaft. Dennoch gingen wieder Tausende Ägypter am Wochenende aus Wut und Verärgerung auf die Straße. Ihrer Meinung nach ist das Urteil für Mubarak und mitangeklagte Polizeioffiziere zu mild ausgefallen. Der Schuldspruch beeinflusst auch die Präsidentenwahl in Ägypten in zwei Wochen.

Insbesondere der Kandidat der islamistischen Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, versucht politisches Kapital aus dem Urteil zu schlagen. "Ich halte an der Todesstrafe (für Mubarak) fest", hieß es in einer Erklärung. Mursi kündigte an, im Falle eines Wahlsieges die Verfahren neu aufzurollen. Zuvor hatten Demonstranten bereits gefordert, die Strafgerichte durch Revolutionsgerichte zu ersetzen.

+++ Das Urteil gaukelt Gerechtigkeit vor +++

+++ Lebenslange Haft für Husni Mubarak +++

Mursi tritt am 16. und 17. Juni in einer Stichwahl gegen den früheren Luftfahrtminister Ahmed Schafik an. In ägyptischen Botschaften und Konsulaten begann bereits am Sonntag die Stichwahl.

Schafik, der von Mubarak noch in seinen letzten Tagen als Präsident zum Chef einer Übergangsregierung ernannt worden war, forderte die Ägypter auf, den Richterspruch zu akzeptieren, und verwahrte sich gegen Vorwürfe, er habe dabei geholfen, Beweise gegen Mubarak beiseitezuschaffen. In der Oasenstadt Fajum randalierten wütende Demonstranten im Wahlkampfbüro von Schafik. Sie zerstörten nach Angaben des staatlichen Nachrichtenportals "Egynews" das Mobiliar und zündeten Flugblätter an.

Zum Abschluss eines zehn Monate langen Prozesses hatte ein Strafgericht in Kairo die Urteile gegen Mubarak sowie den früheren Innenminister Habib al-Adli gefällt, der ebenfalls lebenslang in Haft soll. Die Staatsanwaltschaft hatte für Mubarak die Todesstrafe gefordert. Die Verteidigung will das Urteil anfechten. Auch der Generalstaatsanwalt geht gegen das Urteil vor.

Richter Ahmed Refaat sprach außerdem die Söhne Mubaraks, Alaa und Gamal, vom Vorwurf der Korruption frei. Die beiden bleiben aber in Untersuchungshaft, weil sie noch in einem anderen Verfahren wegen Insiderhandels angeklagt sind.

Richter Ahmed Rifaat dürfte wohl auch deshalb einen "Mittelweg" zwischen Todesstrafe und Freispruch gewählt haben, um weiter aufkochende Spannungen zwischen beiden Seiten vor der polarisierenden Stichwahl um das Präsidentenamt zu vermeiden. Rifaat beschrieb die Ära Mubarak als "30 Jahre der Dunkelheit" und einen "finsteren Albtraum", der erst geendet habe, als das Volk sich gegen Mubarak erhoben habe. Die Korruptionsvorwürfe gegen Mubarak und seine Söhne seien bereits nach zehn Jahren verjährt gewesen, weswegen ihm keine andere Wahl als ein Freispruch geblieben sei, führte der Richter aus.

Vor wenigen Tagen erhob die Staatsanwaltschaft allerdings gegen Gamal und Alaa Mubarak eine weitere Klage wegen Insiderhandels. Möglicherweise war dies ein Schritt, um die Wut der Bevölkerung über den absehbaren Freispruch zu besänftigen.

+++ Mubarak laut Urteil mitschuldig an Tod von 900 Demonstranten +++

Bei den Angehörigen der Opfer flammte Wut auf, nachdem das Gericht sechs Polizeigeneräle mit der Begründung freigesprochen hatte, die Beweislage sei nicht klar. Diejenigen, die bei den Massenprotesten auf Demonstranten geschossen hätten, seien gar nicht erst festgenommen worden.

Im Gerichtssaal und vor dem Gebäude kam es nach der Urteilsverkündung zu Prügeleien. Die Anwälte der Opfer riefen nach dem Urteilsspruch: "Ungültig, ungültig!" Die Polizei schritt ein, als Angehörige getöteter Demonstranten und Mubarak-Anhänger aufeinander losgingen. 24 Menschen wurden verletzt.

Mubarak nahm das Urteil zunächst ruhig auf, erlitt später jedoch nach Angaben von Augenzeugen eine Art Schwächeanfall. In den Medien war sogar von einem Herzinfarkt die Rede. Demnach brach der kranke 84-Jährige zusammen, als er mit einem Hubschrauber zum Tora-Gefängnis geflogen wurde. "Sein Gesundheitszustand hat sich plötzlich sehr verschlechtert, weshalb ihn die Ärzte nach der Landung an Bord des Helikopters versorgen mussten", sagte ein Augenzeuge.

Das staatliche Nachrichtenportal "Egynews" zitierte einen Arzt, der sagte, Mubarak habe sehr schlecht auf die Nachricht reagiert, dass er nicht zurück in das Militärkrankenhaus gebracht worden sei, in dem er die vergangenen Monate als Untersuchungshäftling verbracht hatte. Mubarak, der die Polizei unter Tränen gebeten haben soll, ihn nicht ins Gefängnis zu bringen, sollte bereits am Sonntag Häftlingskleidung erhalten, berichtete die Zeitung "Al-Ahram". Er habe den Helikopter erst nach zwei Stunden verlassen.