Lage in Syrien komplett verfahren. Gruppe bekennt sich zu Anschlag von Donnerstag in Damaskus. Rebellen vertreiben angeblich Christen.

Damaskus/Istanbul/Vatikanstadt. Obwohl seit April offiziell Waffenruhe herrscht, findet Syrien keine Ruhe. Sowohl das Regime als auch die Opposition rechnen in den kommenden Wochen mit weiteren Terroranschlägen. Regierungsnahe Medien schrieben am Sonnabend, Syrien sei ein Angriffsziel für Al-Kaida-Terroristen geworden. Die Syrien-Politik der USA, die selbst Opfer dieser Terroristen geworden seien, sei daher nur als „heuchlerisch“ zu bezeichnen. Die Opposition, die dem Regime von Präsident Baschar al-Assad die Schuld für die Terrorwelle der vergangenen Monate gibt, warnte, der Sicherheitsapparat plane weitere Anschläge in mehreren Provinzen.

Inzwischen tauchte ein Bekennerschreiben zu dem verheerenden Anschlag vom Donnerstag auf, der in Damaskus bis zu 70 Menschen das Leben gekostet hatte. Die „Al-Nusra Front zum Schutz des Volkes der Levante“ erklärt darin, der Anschlag sei Rache für den Beschuss von Wohnvierteln der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit. Einige Formulierungen in der Botschaft lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, dass dieses Schreiben authentisch ist. Außerdem wurde es nicht in den Foren radikaler Islamisten veröffentlicht, die sonst derartige Botschaften publizieren.

+++ Zahlreiche Opfer bei zwei Explosionen in Damaskus +++

Bei dem Anschlag am Donnerstag nahe einem Foltergefängnis waren nach verschiedenen Angaben zwischen 55 und 70 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Die Regierung macht den Widerstand dafür verantwortlich. Die Opposition beschuldigt dagegen das Regime, die Anschläge selbst zu inszenieren, und fordert eine internationale Untersuchung.

Am Freitag haben die syrischen Sicherheitskräfte nach offizieller Darstellung in der Stadt Aleppo einen schweren Selbstmordanschlag vereitelt. Ein Kleinbus mit mehr als einer Tonne Sprengstoff sei abgefangen worden. Der Selbstmordattentäter sei von den Sicherheitskräften am Steuer erschossen worden, meldeten die Staatsmedien.

Ein Regimekritiker aus der Stadt stellte den Vorfall anders dar. Er sagte, zwei Ingenieure aus den Reihen der Sicherheitskräfte hätten auf dem Gelände des lokalen Hauptquartiers der regierenden Baath-Partei ein Fahrzeug mit Sprengstoff präpariert, um es an einer Kreuzung in der Stadt in die Luft zu jagen. Der Sprengstoff sei jedoch bereits auf dem Weg dorthin detoniert. Die beiden Ingenieure, ein Passant und drei Wachleute seien ums Leben gekommen.

+++ Annan fürchtet Eskalation in Syrien bis zum Bürgerkrieg +++

Am Sonnabend beschossen die syrischen Streitkräfte nach Angaben der Opposition erneut die Stadt Homs. Am Freitag seien 18 Oppositionelle von den Sicherheitskräften getötet worden; am Samstag habe es bis zum Mittag sechs weitere Opfer gegeben. Seit dem 12. April gilt eigentlich in Syrien eine international vermittelte Waffenruhe. Angaben der Regierung wie der Opposition sind in Syrien wegen der Einschränkung der Pressefreiheit nur schwer nachprüfbar.

Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen in Syrien sind offenbar abermals auch Angehörige der christlichen Minderheit zwischen die Fronten geraten. Mitglieder der syrischen Befreiungsarmee seien in das Dorf Al Borj Al Quastal in der Provinz Hama eingefallen und hätten alle Christen aus ihren Häusern vertrieben, berichtete der vatikanische Pressedienst Fides am Samstag unter Berufung auf lokale Kirchenkreise. In der örtlichen Kirche richteten die Rebellen laut Fides ihr Hauptquartier ein. Die rund zehn christlichen Familien des Dorfes befänden sich gegenwärtig auf der Flucht.

(dpa/KNA)