Eine US-Drohne soll in Waziristan zehn Islamisten getötet haben, darunter acht Deutsche. USA warnen vor Anschlägen in Europa.

Hamburg/Islamabad. Inmitten dramatischer Warnungen aus den USA vor Terroranschlägen in Europa ist dem amerikanischen Militär möglicherweise ein Schlag gegen genau jene europäischen Islamisten gelungen, die derartige Anschläge planen. Geheimdienstkreise bezifferten gestern die Zahl der Toten nach einem Angriff einer Erdkampfdrohne im pakistanischen Stammesgebiet Nordwaziristan auf insgesamt zehn. Acht von ihnen sollen deutsche Staatsangehörige gewesen sein. Bei den fünf gebürtigen Deutschen und drei türkischstämmigen Männern soll es sich um Angehörige der aus Usbekistan stammenden Islamischen Dschihad-Union (IJU) gehandelt haben. Zudem seien zwei Männer aus Turkmenistan ums Leben gekommen sein.

Bei dem Ort, den die beiden Raketen der US-Drohne - vermutlich des fast fünf Tonnen schweren Typs MQ-9 "Reaper" (Sensenmann) - trafen, handelte es sich um das Gehöft des Pakistaners Sher Maula Khan, eines Talib. Sher Maula Khan ist kein Unbekannter: Er wurde im Juni zusammen mit dem Hamburger Islamisten Rami M. festgenommen und sitzt in Haft, während M. abgeschoben wurde. Der Ort Mir Ali ist eine Hochburg der Taliban und des Terrornetzwerkes al-Qaida. Die IJU hat hier ihr Hauptquartier. Diese Region von Nordwaziristan wird nicht von der pakistanischen Armee kontrolliert.

Mir Ali kam auch in den Aussagen des Hamburgers Ahmad S. vor, der im März 2009 mit neun oder zehn anderen Hamburgern ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet gereist war, um eine Ausbildung in Terrorlagern zu absolvieren, wie US-Geheimdienstbeamte sagten. S., der im Juli 2009 festgenommen worden war, hatte ausgesagt, mehrere Teams von Terroristen mit europäischen Pässen wollten nach Europa reisen, um dort Anschläge nach dem Muster der Mumbai-Attentate des Jahres 2008 zu verüben, bei denen pakistanische Islamisten in der indischen Stadt 173 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt hatten.

Auch ist die Rede von "Schwarm-Angriffen", wie Militante sie in Afghanistan ausgeführt haben. Dabei feuern Terroristen zeitgleich in mehreren belebten Städten auf so viele Menschen wie sie nur können, bevor sie selber erschossen werden.

Einige Staaten wie Schweden und Großbritannien haben aufgrund der amerikanischen Berichte ihre Alarmstufe erhöht, die USA, Japan und Australien haben Reisewarnungen für Europa herausgegeben. Der Sender ABC News berichtete, seine Quellen hätten enthüllt, dass die Terroristen in Europa das Stadium der Auskundschaftung ihrer Zielobjekte bereits hinter sich und bei al-Qaida grünes Licht für Anschläge bekommen haben. Während Innenminister Thomas de Mazière von "Alarmismus" sprach und meinte, es gebe keine konkreten Hinweise auf Anschläge, schätzt der Terrorexperte Berndt Georg Thamm die Gefahr als "relativ hoch" ein. Ob die in Mir Ali getötete Gruppe von Deutschen zu den von S. erwähnten Mordteams gehört, ist nach pakistanischen Geheimdienstangaben noch unklar, aber durchaus möglich. Ahmad S. sitzt im berüchtigten US-Militärgefängnis von Bagram in Afghanistan und wird verhört.

Im unwegsamen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan sollen sich nach Geheimdiensterkenntnissen rund 60 militante Islamisten mit deutschen Pässen aufhalten. Al-Qaida und die mit ihr verbundenen Islamistengruppen wie die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) oder die Islamische Dschihad-Union, die rund 500 Kämpfer haben soll, schätzen den Einsatz von Kämpfern mit europäischen Pässen, da sie ungehindert einreisen und sich auf dem Kontinent frei bewegen können. Auch Sidiqi soll der IBU angehören. Die vier inzwischen verurteilten Terroristen der Sauerland-Gruppe, die Anschläge in Deutschland geplant hatte, gehörten wiederum zur IJU. Polizei und Verfassungsschutz glauben, dass seit den 90er-Jahren rund 220 Menschen mit Bezug zu Deutschland - also Deutsche, zumeist mit Migrationshintergrund, sowie hier lebende Ausländer - eine Terrorausbildung genossen haben. 40 von ihnen haben sich mutmaßlich an Kampfhandlungen beteiligt, doch die meisten sind nach Deutschland zurückgekehrt. Viele von ihnen zählen zum harten Kern islamistischer "Gefährder", denen man Terroranschläge durchaus zutraut.

Die USA haben - nicht zuletzt aufgrund der Aussagen des Hamburgers S. - ihre Drohnen-Kampfeinsätze gegen mutmaßliche Terroristen in den letzten Wochen erheblich verstärkt. Allein im September waren es mindestens 21. Der Auslandsgeheimdienst CIA hat die Drohnen vom US-Militär zur Verfügung gestellt bekommen. Derzeit fliegen die Drohnen der Typen MQ-1 "Predator" (Raubtier) und MQ-9 "Reaper" täglich 34 Überwachungsflüge im Irak und in Afghanistan - ferngesteuert von der Creech Airforce Base in den USA. Insgesamt übermitteln sie jeden Monat 16 000 Stunden Videofilme.