Der Russlandchef des Hamburger Handelskonzerns Otto, Martin Schierer, sprach mit dem Abendblatt über Hamsterkäufe und die Auswirkungen der Rubelschwäche auf das eigene Geschäft.

Hamburg/Moskau. Es sind schwierige Zeiten für Martin Schierer, den Russlandchef des Hamburger Versand- und Onlinehändlers Otto. Mit einem Jahresumsatz von 550 Millionen Euro und zweistelligen Zuwachsraten konnte der 47-Jährige lange in der Unternehmensgruppe glänzen. Doch seit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und dem Absturz des Rubels laufen die Geschäfte von Marken wie Otto oder Bonprix nicht rund. Das Abendblatt erreichte den Manager auf den Straßen Moskaus zwischen zwei Terminen.

Hamburger Abendblatt: Herr Schierer, der Rubel befindet sich im freien Fall, der Konflikt mit dem Westen verschärft sich. Wie ist derzeit die Stimmung in Moskau?
Martin Schierer: Es ist schon eine deutliche Unruhe in der Bevölkerung zu spüren. Die Russen sind zwar krisenerfahren, aber das Vertrauen in die eigene Währung hat in den vergangenen Monaten doch deutlich nachgelassen. Man weiß derzeit einfach nicht genau, wohin das Land steuern wird.

In verschiedenen Berichten ist von regelrechten Panikkäufen die Rede.
Schierer: In den letzten Tagen ist es tatsächlich zu Hamsterkäufen hier in Moskau gekommen. Die Menschen decken sich insbesondere mit langlebigen Konsumgütern wie Laptops, Möbeln oder Kühlschränken ein, weil sie davon ausgehen, dass die Händler ihre Preise in Kürze anpassen werden und das Geld immer weniger wert sein wird.

Spüren Sie das in den Otto-Onlineshops ?
Schierer: Wir verkaufen in Russland vor allem Mode, die steht bei dem Ansturm der vergangenen Tage nicht so sehr im Fokus. Die Nachfrage in unseren großen Onlineshops von Bonprix, Otto oder Quelle ist weitgehend stabil geblieben. Für das laufende Geschäftsjahr, das im Februar endet, rechnen wir auf Rubel-Basis mit einem leichten Umsatzplus.

Umgerechnet in Euro dürfte das aber ein deutliches Minus bedeuten.
Schierer: Auf Euro-Basis werden wir in Russland einen kräftigen Rückgang sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn hinnehmen müssen. Die Währungsturbulenzen lassen sich nicht auffangen. Vor allem unsere Margen stehen unter Druck, weil wir die Kleidung, die wir in Russland in Rubel verkaufen, in Euro oder Dollar eingekauft haben.

Passen Sie jetzt Ihre Preise an?
Schierer: Wir haben die Preise im Laufe des Jahres um zehn bis 15 Prozent heraufgesetzt. Auf den Verfall des Rubels in den vergangenen Tagen haben wir aber noch nicht reagiert, die Lage muss sich zunächst beruhigen.

Andere Händler wie Apple haben ihren Onlineshop zeitweilig ganz vom Netz genommen, um die Preise in Russland zu überarbeiten. Planen Sie so etwas auch?
Schierer: Nein, das ist nicht vorgesehen. Wir werden uns anschauen, wie sich der Rubel-Kurs weiter entwickelt und dann die Preise anpassen. Das könnte erst Anfang nächsten Jahres passieren.

Gibt es bei Otto Überlegungen, das Engagement in Russland angesichts der wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen generell zu überdenken?
Schierer: Nein, wir werden auch weiterhin in Russland aktiv bleiben. Wir beschäftigen in Moskau und in unserem Logistikzentrum in Twer mittlerweile rund 2000 Menschen und haben hier erheblich investiert. Ein solches Engagement setzt man nicht wegen einer zeitweiligen Krise aufs Spiel.

Haben Sie persönlich eigentlich schon den Rubel-Verfall zu spontanen Einkäufen genutzt?
Schierer (lacht): Ich habe meiner Frau in der vergangenen Woche tatsächlich noch ein neues iPhone und ein iPad gekauft. Die Geräte waren zu einem sehr attraktiven Preis zu haben. Das war, bevor Apple die eigenen Angebote überarbeitet hat.