Der Verfall der Währung bringt das Land in Bedrängnis. Moskau fühlt sich vom Westen bedroht, der neue Sanktionen verhängen will

Moskau/Berlin. Fallende Erdölpreise, ein abstürzender Rubel, Sanktionen der Europäischen Union und der USA wegen der Annektion der Krim sowie Moskaus Verhalten in der Ukraine-Krise bringen Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Bedrängnis. Freunde und Verbündete werden in solchen Zeiten rar oder sind von zweifelhaftem Ruf. Putin soll jetzt den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un nach Moskau eingeladen haben. Kim könne dort im Mai an den Feiern zum Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg teilnehmen und mit Putin zusammentreffen, berichtete die japanische Zeitung „Asahi Shimbun“ unter Berufung auf Diplomatenkreise.

Nordkorea ist eines der wenigen Länder, das Russland in der Ukraine-Krise unterstützt. Russland sucht zudem die Allianz mit Nordkorea, um seine Erdgasexporte nach Südkorea auszubauen. Schon seit Längerem versucht Putin, die wirtschaftlichen Verbindungen seines Landes in Asien, besonders mit China, auszubauen und so unabhängiger vom Westen zu werden. Umgekehrt will die EU ihre Energieversorgung auf neue Beine stellen und dabei unabhängiger von Russland werden. „Wir wollen einen Masterplan für Europas Energieversorgung entwickeln“, sagte der neue EU-Kommissar für die Energieunion, Maros Sefcovic, der „Süddeutschen Zeitung“. „Unser Ziel muss es sein, Europa endgültig die Angst vor dem nächsten Winter zu nehmen.“ Eine Arbeitsgruppe aus Ministern und Gaskonzernen soll im Januar ihre Arbeit aufnehmen.

Zudem bereiten sowohl die EU als auch die USA weitere Sanktionsschritte vor: Bis zum EU-Gipfel am heutigen Donnerstag würden neue Strafmaßnahmen gegen die von Russland annektierte Halbinsel Krim beschlossen, kündigten Diplomaten in Brüssel an. Sie richten sich gegen Investitionen in die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen im Schwarzen Meer. Zudem soll es EU-Bürgern verboten sein, in Unternehmen auf der von Russland annektierten früheren ukrainischen Halbinsel zu investieren. Ein Sprecher von US-Präsident Barack Obama erklärte, dieser werde ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz zur Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen Russland bis zum Ende der Woche unterzeichnen.

Die westlichen Strafmaßnahmen gegen Russland haben nach Ansicht des russischen Außenministers Sergej Lawrow einen Machtwechsel in Moskau zum Ziel. Lawrow sagte dem französischen Sender France 24, Moskau werde die Sanktionen „nicht nur überleben, sondern gestärkt daraus hervorgehen“. Der Außenminister räumte zugleich ein, dass Sanktionen „schmerzen“. Dies sei aber nicht Russlands Problem, sondern das der EU und der USA. Die Situation bleibt also gespannt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Krise in Russland:

Was sind die Hauptgründe für die Talfahrt des Rubel?

Belastet wird der Rubel – auch wenn er sich gestern wieder erholte – vor allem durch den Einbruch der Rohölpreise. Energie ist das wichtigste Exportprodukt Russlands. Die Sanktionen des Westens wegen des Ukraine-Konflikts haben die russische Wirtschaft zusätzlich hart getroffen. Das russische Einfuhrverbot für Lebensmittel aus der Europäischen Union (EU) treibt zudem die Preise in Russland nach oben. Die höhere Inflation schwächt die Währung zusätzlich.

Warum fällt der Ölpreis?

Die Ölpreise sind seit diesem Sommer um fast die Hälfte eingebrochen. Das Rohölkartell Opec ist sich uneinig, wie es auf die Herausforderung durch den Boom der US-Schieferölindustrie und die mangelnde Nachfrage wegen der lahmenden Weltkonjunktur reagieren soll. Bisher hat die Opec nicht mit einer Produktionskürzung auf den Preiseinbruch reagiert. Beobachter erwarten daher vor allem auch für das kommende Jahr ein erhebliches Überangebot an Rohöl auf den Weltmärkten.

Wie hart ist die russische Wirtschaft betroffen?

Die russische Wirtschaft hat bereits in den vergangenen Jahren an Dynamik verloren. Die angestrebte Modernisierung machte kaum Fortschritte. Für das kommende Jahr befürchtet die russische Notenbank eine Rezession und spricht von einem möglichen Einbruch der Wirtschaft um bis zu 4,5 Prozent.

Welchen Einfluss hat die Rubel-Krise auf die deutsche Wirtschaft?

Eine schwere Rezession in Russland würde nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auch den Aufschwung in Deutschland bremsen. Wenn die russische Wirtschaft 2015 um fünf Prozent schrumpfen würde, dann würde auch die Wirtschaft hierzulande weniger stark wachsen als bisher erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt würde um 0,1 oder 0,3 Prozentpunkte langsamer steigen.

Wie wirkt sich der Rubelverfall in Russland aus?

Importierte Waren werden durch den rapide fallenden Wechselkurs immer teurer. Die steigende Inflationsrate belastet die russischen Verbraucher. Auch werden Investitionen von ausländischen Unternehmen in Russland immer unattraktiver. Die Kapitalflucht hat zuletzt deutlich zugenommen. Bei Krediten russischer Unternehmen, die in anderen Währungen aufgelegt wurden, wird die Rückzahlung teurer. Vor allem die Banken haben hohe Auslandsschulden. Hinzu kommen die höheren Zinsen, sie sind Gift für die Konjunktur.

Droht Russland der Staatsbankrott?

Die Notenbank verfügte Anfang Dezember über Devisenreserven im Wert von noch 416 Milliarden US-Dollar. Zwar sind sie seitdem weiter gesunken, Zahlungsausfälle erscheinen aber noch unwahrscheinlich. Die Staatsverschuldung liegt im internationalen Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mit 13 Prozent im Vergleich sehr niedrig. In den USA liegt der Schuldenstand bei 108 Prozent.

Kann die Notenbank durch Zinserhöhungen die Währung stabilisieren?

Die drastische Zinserhöhung durch die russische Notenbank, die am späten Montagabend die Zinsen um 6,5 Prozentpunkte auf 17 Prozent anhob, hat die Talfahrt am Dienstag nur kurzzeitig gebremst. Bereits zuvor waren Interventionen am Devisenmarkt verpufft.

Was kann Russland jetzt noch tun?

Am Mittwoch begann auch das Finanzministerium damit, einen Teil seiner Devisenreserven zu verkaufen. Dies stützte den Rubelkurs vorübergehend. „Der Druck der Märkte könnte die russische Notenbank zu einer weiteren Leitzinserhöhung veranlassen“, erwartet Commerzbank-Volkswirt Simon Quijano-Evans. Zudem dürfte die Notenbank weiter am Devisenmarkt intervenieren, um die Währung zu stabilisieren. „Auch die Zentralbanken in Westeuropa sollten großes Interesse daran haben, dass sich die Turbulenzen beruhigen, da das europäische Bankensystem stark in Russland engagiert ist“, schreibt Quijano-Evans.