Ideologisch liegen zwischen beiden Staaten Welten. Jetzt zeichnet sich eine Kehrtwende nach langen Verhandlungen ab

Havanna/Washington. Gefangene werden auf beiden Seiten freigelassen, Reisebeschränkungen aufgehoben, der Handelsaustausch wieder zugelassen, und binnen weniger Monate wird es in Havanna wieder eine amerikanische und in Washington eine kubanische Botschaft geben. „Wir beginnen ein neues Kapitel im Verhältnis der Amerikas“, sagte Barack Obama am Mittwoch in einer vom Fernsehen live ausgestrahlten Rede an die Nation mit Blick auf Nord- und Lateinamerika und betonte: „Wir tun dies, weil es das Richtige ist.“ Die Kursänderung gegenüber Kuba wird eingeleitet durch das Eingeständnis gescheiterter Bemühungen. Aber sie kommt nicht zum Nulltarif, wird im Umfeld des US-Präsidenten versichert.

Weil Sanktionen und Embargos keine Veränderungen brachten, sucht Washington nun einen anderen Weg: Handel, Tourismus und eine auf der Karibik-Insel unbekannte Kommunikationsfreiheit soll Reformen vorantreiben. Auf diesem Gebiet hat Havanna nach Darstellung des Weißen Hauses konkrete Zugeständnisse gemacht.

So habe das Regime von Kubas Präsidenten Raúl Castro den Ausbau des Internets zugesichert, sagte ein Obama-Vertrauter. Die Bevölkerung werde damit vermehrt Zugang bekommen zu freien Informationsquellen. Bislang verfügen nur fünf Prozent der Kubaner über einen Internetzugang. Das ist eine der niedrigsten Quoten weltweit. Zumeist handelt es sich um Günstlinge der Kommunistischen Partei.

Raúl Castro forderte in seiner zeitgleichen Rede Rückendeckung für den Kurs seines Amtskollegen in Washington: „Präsident Barack Obama verdient Respekt.“ Solche Töne sind neu aus Havanna und waren seit fünf Jahrzehnten aus Kuba nicht zu vernehmen. Es sei Zeit, das Zeitalter des Kolonialismus und Imperialismus hinter sich zu lassen, fügte Castro hinzu. Ähnlich formulierte das auch Obama. „Wir können die Geschichte zwischen uns niemals ausradieren“, sagte er, doch das Erbe der Kolonisierung und des Kommunismus müsse nun überwunden werden. Der bisherige Ansatz der US-Politik sei nicht mehr zeitgemäß.“ Obama sagte auch, er wolle Amerikanern und Kubanern mehr Möglichkeiten geben zusammenzuarbeiten. Dies sei die bedeutendste Änderung in der US-Politik gegenüber Kuba seit mehr als 50 Jahren.

Das Gesicht des neuen Kurses gegenüber Kuba ist für die Amerikaner das von Alan Gross. Er war 2009 als Mitarbeiter einer US-Behörde für Entwicklungshilfe auf Kuba unter dem Vorwurf der Spionage und der illegalen Weitergabe von Satellitentelefonen verhaftet worden. Nach US-Darstellung bemühte er sich lediglich um einen Internetzugang für die kleine jüdische Gemeinde auf der Insel. Der 65-jährige Gross, der 2011 zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, war vor einigen Monaten in einen Hungerstreik getreten.

Umgekehrt werden aus US-Haft mit Gerardo Hernández, Antonio Guerrero und Ramón Labañino die letzten drei von fünf kubanischen Spionen entlassen. Sie waren 1998 enttarnt und 2001 zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. In Kuba und vor allem Havanna sind die sogenannten Cuban Five in Form von Postern und Wandmalereien allgegenwärtig und dienten als wichtiges Element der Anti-USA-Propaganda. Zwei weitere Mitglieder waren schon in vergangenen Jahren freigelassen worden. US-Offizielle betonten am Mittwoch gleichwohl, Gross sei nicht gegen die drei Spione ausgetauscht worden – eine solche Vereinbarung würde nämlich indirekt das Eingeständnis bedeuten, dass auch Gross als Agent arbeitete.

Der Demokrat Bob Menendez, der scheidende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, freute sich zwar über die Freilassung von Gross. Der Politiker aus New Jersey warnte aber, sein Austausch für „drei verurteilte Verbrecher“ stelle einen „sehr gefährlichen Präzedenzfall“ dar, der das diktatorische Regime dazu einlade, „Amerikaner im Ausland als Handelsware einzusetzen“. Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida und möglicher Präsidentschaftsbewerber für 2016, bezeichnete Obamas Schritt gar als „absurd“. Er warf der Regierung vor, „regelmäßig mit Diktatoren und Tyrannen zu kuscheln“.

Ein wichtiger Punkt für den bevorstehenden politischen Neuanfang war die Freilassung von 53 Dissidenten aus kubanischen Gefängnissen. Organisationen wie Amnesty International oder die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte haben seit Jahren auf das Leiden politischer Gefangener in kubanischer Haft hingewiesen. Der menschenrechtliche Aspekt spielt aus Sicht Washingtons eine zentrale Rolle. Dazu passt, dass der Vatikan ein entscheidender Vermittler für das neue Tauwetter war. Der Heilige Stuhl bot nicht nur den Raum für persönliche Treffen zwischen Unterhändlern beider Länder, sondern auch für die entscheidenden Gespräche im Herbst. Papst Franziskus schrieb zudem einen persönlichen Brief an Obama zu Fragen einer neuen Kuba-Politik.

Der US-Präsident hatte sich bereits im Wahlkampf 2008 und erneut mehrfach nach seinem Amtsantritt für ein neues Verhältnis zur kommunistisch regierten Karibik-Insel ausgesprochen.