Regierungstruppen in der Ostukraine auf dem Rückzug – Schicksal Hunderter Soldaten ist ungewiss

Kiew/Lugansk. Russland unterstützt nach ukrainischen Angaben trotz einer drohenden Verschärfung westlicher Sanktionen weiter die Rebellen im Osten der Ukraine. Nach Angaben des Militärs lieferten sich ukrainische Fallschirmjäger am Montag eine schwere Schlacht mit einem Panzerbataillon der russischen Streitkräfte um einen wichtigen Zivilflughafen unweit der Rebellenhochburg Lugansk. Schließlich hätten die ukrainischen Soldaten den Befehl erhalten, sich zurückzuziehen.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko machte Russlands Verwicklung in den Krieg gegen die Separatisten als Grund für die jüngsten Erfolge der Rebellen aus. „Eine direkte und offene Aggression wurde von einem Nachbarstaat aus gegen die Ukraine begonnen. Dies hat die Lage in der Konfliktzone auf radikale Weise verändert“, sagte er in einer Rede an einer Militärakademie in Kiew.

Russland hat die Vorwürfe der Regierung in Kiew und des Westens wiederholt zurückgewiesen, direkt mit Soldaten und Panzern aufseiten der Rebellen zu kämpfen. Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärten, ihre Beobachter in der Ukraine hätten keine Hinweise auf die Anwesenheit regulärer russischer Truppen.

Im Asowschen Meer suchten ukrainische Sicherheitskräfte nach zwei Angehörigen der Küstenwache. Ihr Boot war am Sonntag von einem Geschoss prorussischer Separatisten getroffen und versenkt worden. Acht gerettete Seeleute wurden bei dem Angriff nach ukrainischen Angaben verletzt. Unklar war das Schicksal Hunderter ukrainischer Soldaten, die seit Tagen in der Nähe der Rebellenhochburg Donezk von Separatisten umzingelt sind. Das ukrainische Militär hat dazu eine Informationssperre verhängt.

Auch aus Mariupol lagen zunächst keine neuen Erkenntnisse vor. Die strategisch wichtige Hafenstadt im Südosten der Ukraine gilt als das nächste große Ziel der Rebellen, die seit etwa einer Woche wieder auf dem Vormarsch sind. Viele Bewohner verließen die Stadt am Wochenende aus Angst vor drohenden Kämpfen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier befürchtet, dass Russland versucht, eine sichere Landverbindung zur annektierten Halbinsel Krim zu schaffen.

Nach Militärangaben wurden sieben ukrainische Soldaten in den 24 Stunden bis Montagmittag getötet. Insgesamt kamen in dem seit fünf Monaten anhaltenden Konflikt etwa 2600 Menschen ums Leben. Im Kampf gegen ukrainische Regierungstruppen haben prorussische Separatisten nach eigener Darstellung erneut ein Kampfflugzeug und zwei Militärhubschrauber abgeschossen. Rund 100 Soldaten seien zudem bei Gefechten in der Region Donezk verletzt oder getötet worden, teilten die Aufständischen am Montag russischen Agenturen zufolge mit.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte am Montag, sein Land beabsichtige keine Militärintervention in der Ukraine. Gleichzeitig warnte er vor neuen Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union. Russland werde alles daransetzen, seine Bürger und seine Wirtschaft vor Strafmaßnahmen zu schützen, sagte Lawrow. Der russische Präsident Wladimir Putin appellierte an den Westen, sich bei der Diskussion über weitere Sanktionen von gesundem Menschenverstand leiten zu lassen. Er hoffe, dass in einer „normalen, zeitgemäßen Art und Weise“ miteinander umgegangen werde und keine Seite unter gegenseitigen Strafmaßnahmen leiden müsse, sagte Putin der Nachrichtenagentur Interfax.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hatten die EU-Kommission auf einem Sondergipfel am Wochenende mit der Vorbereitung neuer Sanktionen gegen Russland beauftragt und damit gedroht, diese binnen einer Woche zu verhängen. Die US-Regierung begrüßte dies und erklärte, sie werde mit der EU die neuen Strafmaßnahmen absprechen.

Putin warf der Regierung in Kiew vor, kein Interesse an einem substanziellen politischen Dialog mit den Separatisten zu haben. Angesichts des russischen Vorgehens in der Ukraine-Krise hat sich der prominente republikanische Senator John McCain erneut für US-Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew ausgesprochen. Wenn die Lage vor Ort nicht unter Kontrolle gebracht werde, könne Moskau auch zu einer Bedrohung für andere Länder in Osteuropa werden, warnte er am Sonntag in einem Interview des TV-Senders CBS. Die Frage, ob US-Waffenlieferungen an die Ukraine die Krise nicht verschärfen könnten, verneinte McCain. Vielmehr gehe es um Hilfe zur Selbstverteidigung.

Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen, der demokratische Senator Robert Menendez. Washington sollte die Ukraine mit Defensivwaffen ausrüsten, um Kreml-Chef Wladimir Putin im Falle weiterer Aggressionen Kosten aufzuerlegen, sagte er dem Sender CNN am Sonntag aus Kiew. „Es geht nicht länger um einige rebellische Separatisten, das ist eine direkte Invasion durch Russland. Das müssen wir als solches anerkennen.“