Der amerikanische Präsident will die Extremistengruppe Islamischer Staat zurückdrängen. Der Konflikt mit den Jesiden wird auch in Deutschland blutig ausgetragen.

Washington/Hamburr. Die USA haben sich zutiefst besorgt über den Vormarsch der Islamisten im Irak gezeigt. Die Vertreibung von Christen und Kurden jesidischen Glaubens sei „nahe an einer humanitären Katastrophe“, sagte der Sprecher von Präsident Barack Obama, Josh Earnest. Obama erwägt nach Informationen der „New York Times“ und von CNN Luftangriffe gegen die Kämpfer der Extremistengruppe Islamischer Staat (IS).

Die Zeitung berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise, dass der Präsident bei einem Treffen mit seinen Sicherheitsberatern am Donnerstag eine Reihe von Option durchgegangen sei. Die Sorge der USA gilt demnach vor allem den zehntausenden Jesiden, die im Sindschar-Gebirge ausharren und von IS-Kämpfern belagert werden.

Die von Obama geprüften Möglichkeiten für ein Eingreifen reichen laut „New York Times“ von humanitären Hilfsaktionen wie dem Abwurf von Lebensmitteln bis zu Luftangriffen. Ein Regierungsvertreter sagte der Zeitung, dass eine Entscheidung „unmittelbar“ bevorstehe.

Obama hatte ein begrenztes militärisches Eingreifen der USA im Irak nicht ausgeschlossen. „Wir sind bereit für gezielte und präzise Militäraktionen, wenn wir feststellen, dass die Lage vor Ort es erfordert“, sagte der Präsident Mitte Juni. Bitten der irakischen Regierung, die Dschihadisten mit Drohnenangriffen zu bekämpfen, kam die US-Regierung aber bisher nicht nach. Einer Entsendung von Bodentruppen erteilte Obama eine klare Absage.

Allerdings ordnete der Präsident im Juni die Verlegung von bis zu 300 Militärberatern in den Irak an. Die US-Soldaten beurteilten in den vergangenen Wochen die militärischen Fähigkeiten der irakischen Streitkräfte, die der Offensive der IS-Extremisten wenig entgegenzusetzen hatten. Die US-Militärberater richteten gemeinsame Einsatzzentren mit der irakischen Armee ein. Darüber hinaus unterstützt Washington den Irak mit umfangreichen Waffenlieferungen und Geheimdienstinformationen.

Obamas Vorgänger George W. Bush war im März 2003 ohne Uno-Mandat in das Zweistromland einmarschiert und hatte Machthaber Saddam Hussein gestürzt. Bushs Regierung rechtfertigte den Angriff mit einer angeblichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen sowie Verbindungen der irakischen Führung mit dem Terrornetzwerk al-Qaida. Beide Gründe stellten sich später als falsch heraus.

Nach einer jahrelangen Besatzung, die von blutigen Auseinandersetzungen zwischen der schiitischen Mehrheitsbevölkerung und der sunnitischen Minderheit im Irak geprägt war, zog Obama Ende 2011 die letzten US-Truppen ab.

Die USA geben dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Malaki eine Mitschuld am Wiedererstarken der Extremisten. Malikis von Schiiten dominierter Regierung wird vorgeworfen, die sunnitische Bevölkerung systematisch auszugrenzen. Die IS-Bewegung, die Ende Juni in den von ihnen beherrschten Gebieten in Syrien und im Nordirak einen islamischen Gottesstaat ausgerufen hatte, setzt sich vor allem aus radikalen Sunniten zusammen.

Im Sindschar-Gebirge sind nach Uno-Angaben 200.000 Menschen vor IS auf der Flucht, die dringend Wasser, Essen und Medizin benötigen. Mehrere Hundert Jesiden haben am Donnerstag in Essen und Detmold gegen die Verfolgung ihrer Glaubensgemeinschaft im Irak durch islamistische Terroristen demonstriert. Auf Transparenten und in Sprechchören forderten sie ein militärisches und humanitäres Eingreifen der internationalen Gemeinschaft. „Schützt die Jesiden. Stoppt den Völkermord“, war auf Plakaten zu lesen.

Bei beiden Kundgebungen sprach die Polizei von einem friedlichen Verlauf. In Detmold beteiligten sich laut Polizei rund 600 Menschen an der Demonstration, in Essen etwa 250. In Herford war es am Mittwoch zu schweren Ausschreitungen zwischen Sympathisanten der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) und Jesiden gekommen.

Mit Hundertschaften war die Polizei im Einsatz, um eine größere vermummte und bewaffnete Gruppe zu stoppen. Diese attackierte auch Passanten, mehrere Menschen wurden verletzt.

Bei dem Einsatz wurden nach Polizeiangaben sechs polizeibekannte, überwiegend aus Tschetschenien stammende Islamisten festgenommen. Sie werden verdächtigt, zwei Jesiden – einen 16-jährigen Schüler und einen Imbiss-Besitzer – mit Messern attackiert und verletzt zu haben. In dem Imbiss war laut Polizei auf einem Plakat zu einer Demonstration gegen die extremistische Isis-Gruppe aufgerufen worden, die sich Ende Juni in IS umbenannt hatte.