Die Ukraine-Krise hat auch andere ehemalige Sowjetrepubliken alarmiert. Die EU strebt eine engere Kooperation mit ihnen an

Berlin. Es ist mehr als ein politischer Fingerzeig, wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius zu einer gemeinsamen Reise in gleich vier Staaten aufbricht. In der Republik Moldau, in Georgien, Tunesien und Frankreich möchten die beiden Minister demonstrieren, was sie unter einer eng abgestimmten und verzahnten Außenpolitik verstehen. Bereits Anfang März wollten Steinmeier und Fabius nach Moldau und Georgien reisen. Die Krise in der Ukraine aber machte ihnen einen Strich durch die Rechnung; ein spontan einberufenes EU-Außenministertreffen in Brüssel war zu absolvieren. Die Gastgeber in den beiden Hauptstädten Chisinau und Tiflis hatten – zunächst – das Nachsehen. Aufgeschoben, nicht aufgehoben wurde der Besuch der beiden Außenminister aus Berlin und Paris.

Deren Ziele an diesem Mittwoch und Donnerstag sind mit Bedacht gewählt: Während sich russische Militärs und Geheimdienstler im Osten der Ukraine breitmachen, fürchten Moldau und Georgien, auf ähnliche Weise annektiert zu werden. Die Krim-Krise ist für die beiden einstigen Sowjetrepubliken längst zu einem Trauma geworden. In Chisinau, der Hauptstadt der kleinen Republik Moldau mit ihren drei Millionen Einwohnern, hat man schon vor langer Zeit Erfahrungen gemacht. Die abtrünnige Provinz Transnistrien – ein schmaler Streifen entlang des Flusses Dnjestr mit einer halben Million Einwohner, in der 2000 russische Soldaten stationiert sind – sucht schon seit Jahren den Anschluss an Moskau.

Der Kreml stützt diesen Wunsch politisch wie finanziell. Sollten die Russen nun nach dem Modell von Krim und Ost-Ukraine in die Republik Moldau einrücken, mit dem üblichen wie verlogenen Argument, eigene Landsleute schützen zu wollen? „Inmitten der Krise in der Ukraine reisen wir nach Moldawien und Georgien, um uns ein Bild von der Lage vor Ort zu machen“, sagte Steinmeier: „Die tiefe Beunruhigung, mit der unsere östlichen Partner die Situation in ihrem Nachbarland Ukraine beobachten, nehmen wir sehr ernst.“ Weder Moldawien noch Georgien gehören EU oder Nato an. Sie können nicht auf die Beistandsklausel hoffen, wonach jeder Angriff auf einen Mitgliedsstaat einer Aggression gegen jeden anderen Bündnispartner gleichkommt.

EU-Beobachtungsmission in Georgien soll weiter unterstützt werden

So sehr die Bundesregierung die „territoriale Integrität“ Georgiens betont, so plädiert sie für einen pragmatischen Dialog Georgiens mit Moskau. Deutschland und Frankreich wollen zudem die EU-Beobachtungsmission in Georgien weiter unterstützen. Diese war nach dem russisch-georgischen Krieg im Jahre 2008 eingerichtet worden und galt als Voraussetzung für den russischen Rückzug aus den territorial umstrittenen Gebieten Südossetien und Abchasien. Die Mission besteht aus 200 Beobachtern, darunter 40 Deutschen. Geleitet wird sie von einem deutschen Diplomaten.

In Tunesien will Steinmeier die dortigen Schritte zu Demokratie und Schaffung einer Zivilgesellschaft würdigen. In Tunis hatte der Arabische Frühling vor gut drei Jahren begonnen. Auch wenn die östlichen Partner Europas derzeit viel politische Energie kosteten, sagte der SPD-Politiker, dürfen man „unsere südliche Nachbarschaft“ nicht aus den Augen verlieren: „Der Mut und die Entschlossenheit der Menschen in Tunesien verdienen unsere volle Unterstützung.“ Tunesien sei heute Vorbild für viele Menschen in der Region, deren Hoffnung auf Demokratie sich noch nicht erfüllt hat, heißt es im Auswärtigen Amt. Der Weg des Landes werde aber nur erfolgreich sein, sofern es sich wirtschaftlich stabilisiere. Berlin setzt sich deshalb für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU ein. Schlafwandelnd – so dürften sich Politik und Diplomatie nie wieder zeigen, argumentiert Steinmeier. Er zitiert damit „Die Schlafwandler“, das Werk, das der Historiker Christopher Clarks über die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges verfasst hat. Indirekt hat Steinmeier mit Blick auf die Ukraine-Krise immer wieder einen Bogen zum Schicksalsjahr 1914 geschlagen.

Am Freitagabend dürfte er dies wieder tun. Da nämlich wird die gemeinsame Reise des deutschen und französischen Außenministers in Paris enden. Die beiden Männer wollen das Wort ergreifen bei einer Veranstaltung über das Thema „1914–2014: Vom Versagen und Nutzen der Diplomatie“.