„Derzeit“ kein Angriff auf die Ukraine. Börsianer reagieren erleichtert. Abends Raketentest

Moskau. Breitbeinig saß er auf einem Stuhl vor den Kameras, gab sich mal streng, mal ganz entspannt: Erstmals seit Beginn der russischen Machtübernahme auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat Präsident Wladimir Putin zu der Krise öffentlich Stellung genommen – und sich dabei „alle Mittel“ offengehalten.

In der weltweit live übertragenen Pressekonferenz aus seiner Residenz bei Moskau zeigte sich der Kreml-Chef einerseits einverstanden, Gespräche mit dem Westen zu führen. Besonders interessant sei der deutsche Vorschlag einer internationalen Kontaktgruppe. Gleichzeitig aber drohte er einen Militäreinsatz auch in den östlichen Regionen der Ukraine für den Fall an, dass es dort zu Übergriffen auf russische Bürger komme. „Im Moment“ sehe er dafür allerdings keine Notwendigkeit. „Russland hat keine Absicht, Krieg gegen das ukrainische Volk zu führen.“ Wenn der Westen jetzt Sanktionen gegen Russland plane, so solle er bedenken, dass dies ihm auch selber schaden könne.

Über den künftigen Status der Krim sollten die Bewohner selbst entscheiden, sagte Putin. „Derzeit“ sei kein Anschluss vorgesehen. Die Tausenden Russisch sprechenden und schwer bewaffneten Soldaten, die in den vergangenen Tagen alle Machtzentren der Krim besetzt hatten, gehörten nicht zur russischen Armee, sondern seien „örtliche Selbstverteidigungskräfte“.

Weiter sagte Putin, er habe die rund 150.000 russischen Soldaten, die in den vergangenen Tagen an der Grenze zur Ukraine an einem Militärmanöver teilgenommen haben, zurück in ihre Standorte geschickt. Westliche Politiker hatten die Übung als Drohgeste gewertet. Die Aufnahme des entmachteten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Russland bezeichnete Putin als humanitären Akt. Janukowitsch habe zwar keine Macht mehr, sei aber der legitime Präsident. Er habe um Russlands Hilfe gebeten. Deshalb sei auch ein mögliches russisches Eingreifen in der Ukraine legitim. Das Land werde jetzt von „Faschisten“ regiert.

Die US-Regierung kritisierte den Auftritt scharf. Präsident Barack Obama warf Putin vor, die Öffentlichkeit zu täuschen: „Putin kann viele Wörter herumwerfen, aber die Fakten vor Ort deuten darauf hin, dass er sich nicht an dieses Prinzip hält.“ Außenminister John Kerry sagte in Kiew, es sei offensichtlich, „dass Russland hart daran gearbeitet hat, einen Vorwand zu schaffen, um die Invasion auszudehnen“.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beschloss in Wien, heute eine Beobachtermission in die Ukraine und auf die Krim zu schicken. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach mit Blick auf die Beendigung des russischen Manövers von einer ersten leichten Deeskalation. Auch die Finanzmärkte reagierten nach den teilweise heftigen Kursverlusten am Montag erleichtert. Noch während Putins Pressekonferenz zogen die Kurse an den internationalen Aktienmärkten an. Der deutsche Aktienindex DAX stieg um 2,5 Prozent auf 9589,15 Punkte. Am Montag hatte er 3,4 Prozent verloren.

Am Abend aber demonstrierte Putin erneut seine Stärke – mit einem Raketentest. In der Region Astrachan in der Nähe des Kaspischen Meeres wurde eine Interkontinentalrakete vom Typ RS-12M Topol abgefeuert. Die USA waren nach eigenen Angaben vorab über den Test informiert worden.