Wie aus dem Nichts fegt ein Tornado über den US-Staat und verwüstet die Kleinstadt Moore. Mindestens 24 Menschen sterben. “Es ist so verheerend. Dafür gibt es keine Worte“, sagt eine Mutter.

Es sind Bilder wie aus einem Endzeitfilm: Verwüstung, so weit das Auge reicht. Verstörte Bewohner stehen in Trümmern. Eine knappe Stunde zuvor stand hier noch ihr Zuhause. Jetzt liegen gesplitterte Latten und Dachtrümmer herum, Wasserfontänen steigen aus geborsteten Leitungsrohren. Hunde suchen ihre Besitzer, Pferde stehen verloren da. Der Sturm kam in Windeseile und war schnell wieder vorübergezogen. Nur 40 Minuten dauerte sein Werk der Zerstörung. Zwischen der Warnung des örtlichen Wetterdienstes über die Sirenen in den Ortschaften bis zu dem Moment, als der Rüssel des Sturms auf den Boden stößt, sind nur 16 Minuten geblieben. Für viele Menschen nicht genug Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Dann raste der Trichter mit 300 Kilometern pro Stunde auf die Ortschaften nahe Oklahoma-City zu.

Die Menschen, die in den wenigen Minuten Schutz in einem Keller finden konnten, sammeln wenig später ihre Habseligkeiten aus den Trümmern ihres Besitzes, packen sie in Rucksäcke und Koffer, sie suchen Verwandte, Freunde und Nachbarn. Viele werden noch vermisst. Mindestens 24 Menschen kamen um, bestätigten Dienstagmittag die Behörden. Zuvor war von 91 Toten die Rede gewesen. Manche haben alles verloren. "Zahlreiche Wohngebiete wurden dem Boden gleichgemacht", sagt ein Polizist aus Oklahoma-City. Bewohnerin Julie Jones rettet sich in ihr Auto: "Das war ein Monster, riesig, dunkel und furchteinflößend." Den Nachrichtensender Russia Today erreicht das Video eines Mannes, der aus seinem Schutzkeller tritt und vor Trümmerhaufen steht. Sprachlos zitiert er aus der Bibel: "Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen."

Nach dem Sturm kommen die Menschen aus der Umgebung, um zu helfen. Allen fällt es schwer, das Ausmaß der Zerstörung zu formulieren. "Es ist so verheerend. Dafür gibt es keine Worte", sagt eine Mutter von drei Kindern, die sich mit ihrer Familie in einen Schutzkeller retten konnte, dem Sender Foxnews. Als sie die Warnung erhielten, seien sie gerannt, hätten im Schutzraum gewartet. Nun seien sie zu einer der zerstörten Grundschulen zurückgekommen, um Verschüttete zu suchen. "Wir haben versucht, so dicht wie möglich an die Stelle zu kommen, wo wir die Kinder von Freunden vermuten."

Viele Schüler sollen noch unter dem Schutt des Gebäudes liegen. Auch Kinder sind laut Behörden von dem Tornado in den Tod gerissen worden.

Andere hinterlassen Angehörigen Botschaften, wohl um ihnen zu vergewissern, dass sie nicht verschüttet sind. "Wir haben überlebt", hat jemand in großen Buchstaben an eine Hauswand gesprüht. Aus einer der zerstörten Grundschulen von Moore macht ein besonders tragisches Foto die Runde: Rucksäcke von Schülern hängen an einer noch stehenden Wand, der Rest des Raumes liegt in Trümmern.

Zwischen zahlreichen aufs eigene Dach geworfenen und zerdrückten Autos sucht auch Larry Whitmoore nach seinem Geländewagen. Seine Schwiegerfamilie habe bereits in einem früheren Wirbelsturm ihr Zuhause verloren, erzählt er dem Videoreporter des lokalen Nachrichtenkanals NewsOK. Sein Kopf ist in einen Verband gewickelt. "Aber wir kommen zurück. Wir sind ,Oklahomas'. Dafür sind wir bekannt - dass wir zurückkommen", sagt er.

Der Wirbelsturm hinterlässt eine rund drei Kilometer breite Schneise der Verwüstung in dem besonders stark betroffenen Vorort von Oklahoma City. Präsident Barack Obama rief den Notstand aus und ordnete Hilfe des Bundes an. In der Nacht zu Dienstag suchten Rettungsmannschaften in den Trümmern nach Überlebenden der bislang zweitschlimmsten Tornado-Katastrophe der USA. Die Meteorologen hatten um 14.45 Uhr Ortszeit die Tornado-Warnung für Moore herausgegeben, 16 Minuten, bevor der Wirbelsturm den Ort traf. Diese Vorwarnzeit sei doppelt so lang gewesen wie bei einer durchschnittlichen Unwetterwarnung, sagte Keli Pirtle von der örtlichen Unwetterzentrale.

Dennoch kam sie für viele zu spät. Zwei Grundschulen, das Krankenhaus und zahllose Wohnhäuser wurden dem Erdboden gleichgemacht, Autos durch die Luft gewirbelt, Strommasten und Straßenschilder umgeknickt. "Die ganze Stadt gleicht einem Trümmerfeld", sagte Bürgermeister Glenn Lewis dem Sender NBC. Fernsehsender zeigten eine riesige schwarze Sturmsäule, die alles mitriss, was auf ihrem Weg lag.

In den Krankenhäusern wurden 240 Verletze behandelt, darunter 60 Kinder. Allein im Uni-Krankenhaus wurden 65 Verletzte versorgt, 45 von ihnen Kinder. Die Ärzte rechneten aber nicht mehr mit größeren Zahlen neuer Verletzter, sagte ein Kliniksprecher.

Die 50.000-Einwohner-Stadt Moore war schon 1999 von einem verheerenden Tornado getroffen worden. Damals starben mehr als 40 Menschen, Tausende Häuser wurden zerstört. Die Schäden beliefen sich damals auf über eine Milliarde Dollar.

Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel drückten in Schreiben an Barack Obama ihre Anteilnahme aus. "Das Ausmaß an Tod und Zerstörung erfüllt mich mit Trauer", so Gauck. Besonders erschüttert zeigte er sich darüber, dass viele Kinder unter den Toten seien. "Deutschland steht den Vereinigten Staaten von Amerika zur Seite", versicherte Gauck. "Die Bilder dieser Katastrophe machen uns sprachlos und lassen das Ausmaß des Leids nur erahnen", schrieb Merkel.