Alles ein Missverständnis: Der deutsche Verteidigungsminister redet über US-Soldaten in Afghanistan, sein US-Kollege widerspricht.

Brüssel. In der Nato-Debatte um die künftige Militärpräsenz der USA in Afghanistan hat US-Verteidigungsminister Leon Panetta seinem deutschen Kollegen Thomas de Maizière öffentlich widersprochen. Er bezeichnete Äußerungen de Maizières, die USA wollten von 2015 an „in einer Größenordnung zwischen 8000 und 12.000 Soldaten in Afghanistan involviert sein“, als „nicht korrekt“. De Maizière zog seine Äußerung zurück, er habe sich „missverständlich ausgedrückt“.

Bei den besprochenen Zahlen sei es nicht um den US-Beitrag, sondern einen Gesamtwert gegangen, sagte Panetta nach einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Freitag in Brüssel vor Journalisten. „Wir haben eine Bandbreite von Optionen besprochen. Und ich möchte klarmachen, dass diese Bandbreite die Nato-Streitkräfte betraf. Und die bestehen sowohl aus der US-Präsenz als auch aus dem Beitrag der anderen Nato-Länder.“

De Maizière hatte zunächst gesagt: „Der amerikanische Verteidigungsminister hat offiziell angekündigt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in einer Größenordnung zwischen 8000 und 12.000 Soldaten in Afghanistan involviert sein werden.“ Dies bedeute, dass die deutschen Soldaten weiterhin im Norden Afghanistans, wo sie bisher schon in Masar-i-Scharif ein Lager haben, tätig sein könnten.

Später ließ de Maizière über sein Ministerium erklären: „Ich habe mich vor zwei Stunden in Brüssel missverständlich ausgedrückt, indem ich diese Zahlen allein den Amerikanern zugeordnet habe.“ Seine Äußerung beziehe sich tatsächlich auf einen Gesamtansatz.

Panetta habe Deutschland „offiziell gebeten, auch im Norden eine Rolle zu übernehmen.“ De Maizière sagte in Brüssel nicht, wie groß das deutsche Kontingent ab 2015 sein soll: „Ab jetzt beginnt die Konsultation über diese Frage in Deutschland und dann mit unseren internationalen Partnern.“ „Die Zahlen hängen vom Auftrag ab“, sagte de Maizière. Es handele sich auf keinen Fall um einen Kampfeinsatz.

EU-Diplomaten, die an der Ministersitzung teilnahmen, sagten ebenfalls, Panetta habe sich auf die Gesamtgröße des Einsatzes „Resolute Support“ (Entschlossene Unterstützung) bezogen. Nach dem Abzug der Kampftruppen der Afghanistan-Schutztruppe Isaf bis Ende 2014 soll diese Mission afghanische Soldaten beraten und ausbilden.

Die Nato-Verteidigungsminister entschieden, dass der neue Einsatz nicht nur auf Kabul beschränkt sein, sondern auch in den Regionen des Landes stattfinden solle. Die Planung, die ursprünglich bereits im Februar beendet sein sollte, werde nun fortgesetzt. Eine Entscheidung solle in den nächsten Monaten fallen. Auf eine baldige Entscheidung hatten vor allem die Verbündeten der USA gedrungen.

Panetta teilte auch mit, US-Präsident Barack Obama prüfe ernsthaft zusätzliche Finanzhilfen für Polizei und Armee Afghanistans. Auf diese Weise könnten die 352.000 Sicherheitskräfte des Landes in unveränderter Stärke bis 2018 fortbestehen. Bisher war geplant, dass sie aus Kostengründen ab 2014 auf 230.000 verringert werden sollten. Zudem prüften die USA, die schon bisher Spezialeinheiten außerhalb des Nato-Kommandos in Afghanistan haben, auch in Zukunft Soldaten auf bilateraler Basis in Afghanistan zu stationieren.

Nato-Diplomaten betonten, es sei noch keine Entscheidung über die Größe der Mission „Resolute Support“ ab 2015 getroffen worden. Die USA haben bisher aber schon mehrfach deutlich gemacht, dass sie erwarten, dass von der Gesamtzahl der Soldaten etwa zwei Drittel aus den USA kommen, der Rest jedoch aus Europa und anderen Ländern.