Der Regierungskritiker Shokri Belaid wurde am Mittwochmorgen vor seinem Haus in Tunis erschossen. Identität der Attentäter noch unklar.

Tunis. Nach dem tödlichen Anschlag auf einen prominenten Oppositionspolitiker sind in Tunesien Tausende aufgebrachte Menschen auf die Straße gegangen. Sie protestierten in der Hauptstadt Tunis und auch Sidi Bouzid, wo vor zwei Jahren die Revolution des Arabischen Frühlings begonnen hatte. Einige Demonstranten setzten die Zentrale der regierenden islamistischen Ennahda-Partei in Brand. Der Regierungskritiker Shokri Belaid war am Mittwochmorgen vor seinem Haus erschossen worden. Die tunesische Führung verurteilte die Tat als politischen Mord. Ennahda wies jegliche Verantwortung dafür zurück. Frankreichs Präsident Francois Hollande äußerte sich besorgt über die erneute Gewalteskalation seiner früheren Kolonie.

In Tunis versammelten sich mehr als 1000 Menschen vor dem Innenministerium. Viele von ihnen forderten einen Sturz der Regierung, die nach dem Volksaufstand gegen Machthaber Zine al-Abidine Ben Ali vor zwei Jahren gewählt worden war. In Sidi Bouzid protestierten Augenzeugen zufolge mehr als 4000 Menschen. Sie setzten Reifen in Brand und bewarfen Polizisten mit Steinen. Diese schossen in die Luft und setzten Tränengas ein, um die Menge zu zerstreuen. In dem Ort hatte sich im Januar 2011 der arbeitslose Uni-Absolvent Mohamed Bouazizi angezündet und damit die Protestwelle in Tunesien und später auch anderen arabischen Ländern ausgelöst.

Die tödlichen Schüsse trafen Belaid von der weltlichen Volksfront-Partei in Kopf und Brust. Der Anwalt und Menschenrechtsaktivist war eine der Führungspersönlichkeiten seiner Partei und scharfer Kritiker der islamistischen Ennahda. Er warf der Regierung vor, eine Marionette der Führung des Golfstaats Katar zu sein.

Ministerpräsident Hamadi Jebali von der Ennahda nannte die Tat einen Schlag gegen den Arabischen Frühling. Die Identität der Attentäter sei noch nicht bekannt.

Die Ennahda bestritt eine Verwicklung in das Attentat. Sie sei völlig unschuldig, sagte Partei-Vorsitzender Rached Gannouchi der Nachrichtenagentur Reuters.

Tunesiens Präsident Moncef Marzouki rief die Bürger zur Besonnenheit auf und brach einen Besuch in Frankreich ab. Im vergangenen Monat hatte er noch davor gewarnt, dass die jüngsten Spannungen in Tunesien in einen Bürgerkrieg münden könnten. Marzouki gehört der säkularen Partei Kongress für die Republik an, die an der Regierung beteiligt ist. Am Sonntag drohte die Partei mit einem Koalitionsbruch, sollte Ennahda nicht zwei islamistische Minister entlassen. Nach der Wahl der von Islamisten dominierten Regierung im Oktober 2011 ist ein erbitterter Streit mit säkularen Kräften über die weitere Ausrichtung der Politik entbrannt. Viele fürchten den wachsenden Einfluss extremistischer Kräfte.

Frankreichs Präsident Hollande erklärte, die erneute politische Gewalt in Tunesien sei alarmierend.