Erste Opfer bei Offensive gegen Islamisten in Mali. Kritik aus Afrika gibt es diesmal keine - die Angst vor den Gotteskriegern ist groß.

Kapstadt. Die französischen Streitkräfte nennen ihre Offensive gegen islamistische Milizen im Zentrum Malis Operation "Serval". Ein Serval ist eine in Afrika verbreitete Wildkatze, zu deren hervorstechenden Merkmalen die enorme Sprungweite von knapp vier Metern sowie die einzelgängerische Lebensweise zählen. So gesehen handelt es sich um einen passenden Namen, schließlich ist das Eingreifen Frankreichs in Mali ein riskanter Alleingang. Seit Beginn der in Kooperation mit malischen Regierungstruppen durchgeführten Offensive am Freitag wurde ein französischer Pilot in der Stadt Mopti getötet, auf malischer Seite starben nach Angaben der Regierung in der Hauptstadt Bamako elf Soldaten. 60 wurden verwundet.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete von zehn getöteten Zivilisten, darunter drei Kinder. Aufseiten der Islamisten gab es Medienberichten zufolge Dutzende Tote, genaue Zahlen wurden nicht bekannt. "Wir haben jedes verfügbare Mittel für den Kampf gegen die Islamisten eingesetzt und sie in die Flucht geschlagen", sagte der Sprecher des malischen Verteidigungsministeriums, Diara Kone, "das zeigt, dass die malische Armee kämpfen kann."

Frankreich hat Hunderte Soldaten in seiner ehemaligen Kolonie im Einsatz, die Malis Offensive mit Kampfflugzeugen unterstützen. Vorerst werden es die einzigen westlichen Soldaten bleiben. Am Sonnabend erklärte Englands Premierminister David Cameron, dass er Flugzeuge und Ausrüstung für den Konflikt zur Verfügung stellen werde, jedoch keine eigenen Soldaten. Zu ähnlichen Hilfen sind nach Angaben Frankreichs auch die USA bereit. "Ein Einsatz deutscher Kampftruppen steht nicht zur Debatte", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

Man habe den Rebellen und ihren Versuchen, in Mali einen "terroristischen Staat" zu errichten, "einen Schlag versetzt und schwere Verluste zugefügt", sagte Frankreichs Präsident François Hollande. Allerdings sei die Mission trotz strategischer Raumgewinne nicht vorbei. Bemerkenswerter ist die Zustimmung von afrikanischer Seite, die Frankreich für sein Eingreifen erhält. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Benins Präsident Boni Yayi, gratulierte Frankreich für seine "mutige Entscheidung". Er hatte am Dienstag die Nato dazu aufgefordert, Truppen nach Mali zu schicken. Er hoffe weiterhin, dass dies geschehe und sich auch andere Nationen an dem Kampf beteiligen würden. Das klang vor knapp zwei Jahren noch anders, als französische Truppen in der Elfenbeinküste einmarschierten. Damals hatte sich der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo mithilfe der Armee an die Macht geklammert, die Afrikanische Union aber verbat sich jede Intervention. Es müsse Afrika überlassen werden, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, teilte der Staatenbund mit. Frankreichs Reputation auf dem Kontinent ist generell nicht die beste. Im Kongo beklagt die Regierung regelmäßig unerwünschte Einmischung, in Ruanda ist die unrühmliche Rolle Frankreichs beim Völkermord noch nicht vergessen.

Doch die Bedrohung für die malische Hauptstadt Bamako hat so massiv zugenommen, dass antikoloniale Ressentiments zurückstanden. Nach dem Militärputsch im März 2012 übernahmen binnen weniger Monate islamistische Gruppen die Macht im Norden des Landes. Lange machten sie keine klaren Anstalten, die Zentralregierung in Bamako stürzen zu wollen. Eher gemächlich planten die Vereinten Nationen und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas die Bildung einer eigenen Eingreiftruppe. Frühestens sei man im September 2013 bereit für den Einsatz, hieß es, und es ließ sich erahnen, dass sich die Islamisten nicht an diesen Zeitplan halten würden.

Anfang des Jahres starteten sie dann tatsächlich eine Offensive in Richtung Süden, am Mittwoch nahmen sie ohne Widerstand die Stadt Konna ein. Von dort sind es nur noch 700 Kilometer bis nach Bamako, in einem Land, das beinahe die vierfache Größe Deutschlands hat, gilt das als gefährliche Nähe. Spätestens jetzt war klar, dass die strenge Form der Scharia, die seit der Machtübernahme in weiten Teilen des Nordens gilt, landesweit eingeführt werden sollte. Und eine Ausbreitung der teilweise mit al-Qaida kooperierenden Islamisten stellt eine Gefährdung für die gesamte Region dar.

Noch am Donnerstag rief der Uno-Sicherheitsrat auf Antrag Frankreichs eine Notsitzung in New York ein. Im Anschluss wurde eine Pressemitteilung verabschiedet, "die zum "unverzüglichen Einsatz" einer internationalen Eingreiftruppe aufforderte. Es handelte sich nicht um eine sogenannte "bindende" Resolution nach Kapitel 7 der Uno-Charta, völkerrechtlich ist der Einsatz Frankreichs - also anders als dargestellt - umstritten. Hollande sagte, der sei im Einklang mit internationalem Recht und mit dem Einverständnis von Malis Interimspräsidenten Dioncounda Traore begonnen worden.

Konna ist nach Angaben Malis wieder in der Hand der Regierungstruppen. Doch der Druck auf Ecowas steigt, Truppen früher als geplant in das Land zu schicken. Bei einem Sondertreffen am kommenden Sonnabend soll der vorgezogene Einsatz von 3300 Soldaten besprochen werden. "Spätestens Montag werden die Truppen dort (in Mali) oder auf dem Weg dorthin sein", sagte ein Sprecher der Regierung der Elfenbeinküste, die derzeit den Ecowas-Vorsitz hat, "die Dinge nehmen an Fahrt auf." Burkina Faso, der Niger und Senegal haben erklärt, jeweils 500 Soldaten bereitzustellen. Auch die Europäische Union kündigte ein "beschleunigtes internationales Engagement" an. Pläne für die Bereitstellung von 200 Soldaten zur Ausbildung von malischen Streitkräften sollten zügig vorangetrieben werden. Derweil hat Frankreich seinen 6000 in Mali lebenden Staatsbürgern erneut empfohlen, das Land zu verlassen. Die Regierung fürchtet mehr denn je um das Leben der acht französischen Staatsbürger, die in der Sahelzone als Geiseln festgehalten werden.

Fast zeitgleich mit dem Angriff in Mali versuchte eine französische Spezialeinheit in Somalia den vor mehr als drei Jahren entführten Geheimdienstagenten mit dem Decknamen Denis Allex zu befreien. Vergeblich. Allex wurde bei der Mission von seinen Entführern der Terrorgruppe al-Schabab getötet, sagte Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian. Zudem seien ein weiterer Soldat sowie 17 Milizionäre ums Leben gekommen. Der Einsatz sei aber unabhängig von der Lage in Mali beschlossen worden. Al-Schabab widersprach dieser Darstellung. Demnach sei Allex noch am Leben. Außerdem habe die Miliz mehrere Soldaten getötet und einen, der im Gefecht verwundet worden sei, gefangen genommen. Von ihm werde man in den nächsten Tagen Video-Aufnahmen veröffentlichen.