Chuck Hagel war schon früh ein Mentor des demokratischen US-Präsidenten. Nun soll der Republikaner Verteidigungsminister werden.

Washington. Barack Obama rühmt den "Patrioten" und "weitsichtigen geopolitischen Denker", die Republikaner schimpfen ihn "Israel-Hasser": Chuck Hagel, 66, früherer republikanischer Senator aus Nebraska und seit Montag die Wahl des US-Präsidenten als neuer Verteidigungsminister, kann sich auf ein anstrengendes Anhörungsverfahren vor dem außenpolitischen Ausschuss durch seine früheren Kollegen gefasst machen. Einstige Fraktionsfreunde rüsten zum Kampf gegen einen Mann, den sie für illoyal halten. Unbestreitbar ist: Chuck Hagel und John Kerry, der designierte Außenminister, waren einst Mentoren des unerfahrenen Senators Obama. Nun holt der Präsident sie in seine Regierung.

Auf den ersten Blick ist die Empörung der Republikaner gegen einen der Ihren schwer zu begreifen: der Soldat Charles Timothy "Chuck" Hagel führte 1967/68 eine Infanterieeinheit in Vietnam, er wurde verwundet und doppelt für Tapferkeit ausgezeichnet. Nach Nebraska zurückgekehrt diente er in Wahlkämpfen den Republikanern, 1980 Ronald Reagan; er gründete das Handy-Unternehmen Vanguard Cellular und wurde Multimillionär, profilierter US-Senator (1996 bis 2008) und enger Freund John McCains, dessen Wahlkampf er 2000 führte; Hagel machte sich verdient in der Führung des Roten Kreuzes und lehrte zuletzt an der Georgetown University. Was wäre unter Republikanern gegen eine Biografie einzuwenden, die ausgezeichneten Dienst an der Nation mit großem Erfolg in der privaten Wirtschaft verbindet?

Die Abneigung der Republikaner gegen ihren Kollegen rührt aus der Zeit des Irak-Kriegs. Hagel hieß ihn 2002 mit 77 anderen Senatoren zunächst gut, kritisierte ihn später aber vehement. Geprägt in Vietnam, widersetzte sich Hagel einem Krieg, für den Bürokraten und Politiker bedenkenlos, wie er meinte, Amerikas Soldaten, Reputation und Steuergelder opferten. Hagels "Dolchstoß" führte zum Zerwürfnis mit John McCain.

Je heftiger Hagel im Senat seine Stimme erhob gegen die Ausweitung der Kriege im Irak und Afghanistan, desto mehr beeindruckte er gemäßigte Demokraten. Barack Obama war einer von ihnen. Ihm leuchtete ein, was der "prinzipientreue Realist" (Hagel über Hagel) zur Überdehnung der US-Streitkräfte und den weltweiten Ansehensverlust der USA sagte. Je blutiger der Krieg im Irak wurde, desto mehr fühlte sich Chuck Hagel im Recht.

Er war nicht allein. Namhafte Denker in der Außen- und Sicherheitspolitik unterstützten Hagel. Die "Obama-Doktrin" einer maßvollen, militärischer Interventionen abgeneigten Außenpolitik, so notierte jüngst das "National Journal", sei im Grunde eine "Kerry-Hagel-Biden-Doktrin". Es soll Senator Chuck Hagel gewesen sein, der dem frisch gekürten Präsidentschaftskandidaten Barack Obama im Sommer 2008 Joe Biden als Vizepräsidenten empfahl.

Es zählt zu Hagels Schwächen, gelegentlich daherzureden, bevor er nachgedacht hat. Dabei kommt naturgemäß mancher Unsinn heraus. Etwa 2006, als er in einem Interview meinte, "die jüdische Lobby schüchtert eine Menge Leute hier (im Kongress) ein". Gemeint waren Lobbyisten-Verbände, die traditionell Israels Interessen in Washington wahrnehmen, also allenfalls die "Israel-Lobby". Ob Hagel wirklich, wie manche Linksliberale glauben, nur aussprach, was im Kongress viele denken und nicht zu sagen wagen, sei dahingestellt. Es war eine Dummheit, die nicht weniger dumm wurde, als Hagel sagte, er sei ein "US-Senator, kein israelischer Senator, ich diene Amerikas Interessen". Da sich der Senator zugleich für eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und Palästina einsetzte und Präsident Bush sogar zu einem Treffen mit Jassir Arafat riet, geriet er ins Schussfeld von Kollegen wie Lindsay Graham, die Israel verunglimpft und alleingelassen wähnen: "Diese Nominierung (Hagels) ist eine Provokation des Präsidenten für jeden von uns, der Israel unterstützt", sagte Graham am Sonntag im Fernsehen. Mehrere frühere US-Botschafter in Israel haben Hagel dagegen vor dem Vorwurf der Israel-Feindlichkeit in Schutz genommen.

Doch selbst unter Demokraten regt sich Widerstand gegen seine Ernennung. Manche sind schlicht nicht glücklich darüber, dass der Präsident nach Robert Gates wieder einen Republikaner an die Spitze des Pentagon stellt. Andere erinnern an eine Episode aus dem Jahr 1998, als Hagel gegen den von Bill Clinton zum Botschafter in Luxemburg berufenen James Hormel den Vorwurf erhob, er sei "offen und aggressiv schwul". Hagel entschuldigte sich - im Dezember 2012, als seine Nominierung zum Verteidigungsminister schon in aller Munde war. Es gibt prominente Fürsprecher, die ihm bescheinigen, er habe seine Meinung - wie Bill Clinton und Barack Obama - über die Jahre geändert. Wofür Hagel stehen will, kann und muss er bald selbst erklären.