Einigung schien zum Greifen nahe – bis Tea-Party-Anhänger gegen Steuererhöhungen für Reiche rebellierten. Obama läuft die Zeit davon.

Washington. Dramatische Zuspitzung im US-Haushaltsstreit: Nach der Weigerung der oppositionellen Republikaner, Steuererhöhungen für Superreiche mitzutragen, steht Präsident Barack Obama wieder ganz am Anfang. Kommt es bis zum Jahresende nicht zu einem Kompromiss mit den heillos zerstrittenen Republikanern, drohen den Amerikanern automatisch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Höhe von mehr als 600 Milliarden Dollar (465 Milliarden Euro). Befürchtet werden in diesem Fall schwerwiegende Auswirkungen nicht nur auf die US-Wirtschaft, sondern auf die Weltwirtschaft insgesamt.

Wie eine Einigung mit den Republikanern aussehen könnte, ist derzeit völlig unklar. Wegen massiver Widerstände in den eigenen Reihen musste Republikanerführer John Boehner in der Nacht zum Freitag überraschend eine von ihm angesetzte Abstimmung über Steuererhöhungen für Reiche mit mehr als einer Million Dollar Jahreseinkommen absagen. Er räumte ein, dass er im Repräsentantenhaus in dieser Frage keine Mehrheit habe.

Boehner, für den es im Januar um die Wiederwahl als Präsident des Repräsentantenhauses geht, vermochte die innerparteilichen Gegner, die strikt gegen Steuererhöhungen sind, nicht auf seine Seite ziehen. „Das schwächt die gesamte Republikanische Partei“, zitierte die „Washington Post“ den Abgeordneten Steve LaTourette. „Man wird uns mehr und mehr als einen Haufen von Extremisten ansehen, der nicht einmal in der Lage ist, eine Mehrheit in der eigenen Partei zu finden, um unsere politischen Ziele voranzubringen.“

Damit scheinen auch die Verhandlungen mit Präsident Obama erst einmal auf Eis gelegt. Die republikanischen Abgeordneten gingen in die Weihnachtsferien. Sie könnten aber bereits am Mittwoch zurückkehren, hieß es – falls in letzter Minute doch noch eine Lösung gefunden werden sollte.

Die fehlgeschlagene Abstimmung verschaffe Boehner und Obama Raum, einen neuen Anlauf zu nehmen, schrieb das „National Journal“. Sie könnten ihre Verhandlungen in viel entspannterer Atmosphäre wieder aufnehmen, wenn die Abgeordneten erstmals für die Weihnachtsferien zu Hause seien. „Die beste Zeit für einen Deal ist, wenn das Kapitol leer ist“, zitierte das Blatt den früheren Republikanerführer im Senat, Trent Lott.

Das Weiße Haus erklärte am Abend, Obama habe nach wie vor Hoffnung, dass man doch rechtzeitig zu einer Lösung komme. „Der Präsident wird mit dem Kongress zusammenarbeiten, um dies zu schaffen.“ Es gehe um den Schutz der Mittelschicht in den USA. Obama beharrt auf höheren Abgaben für Haushalte mit mehr als 250.000 Dollar (190.000 Euro) Jahreseinkommen.

Noch vor wenigen Tagen schien es, als seien sich Boehner und Obama bei mehreren Spitzengesprächen näher gekommen. Obama machte eine weitere Konzession und bot an, die Steuern nur für Haushaltseinkommen ab 400.000 Dollar zu erhöhen. Für alle mit einem geringeren Einkommen sollen bestehende Steuererleichterungen beibehalten werden, die sonst zum Jahresende auslaufen würden. Ein Kompromiss schien in Reichweite, spekulierten US-Medien.

Doch dann warf Boehner dem US-Präsidenten vor, er mache keine konkreten Sparvorschläge. Obama konterte und warf den Republikanern vor, sie seien unfähig zum Kompromiss. Es sei ihnen offenbar unmöglich, „ja zu mir zu sagen“. Er forderte sie auf, persönliche Antipathien aus dem Spiel zu lassen.