Michael Bloomberg drückt aufs Tempo: “Wir befinden uns auf einem Kollisionskurs mit der Umwelt. Wir müssen handeln. Heute!“

New York. Morgens 8 Uhr an der Upper East Side in New York: Wie Ameisen strömen Männer und Frauen in Geschäftskleidung aus den riesigen Apartment-Gebäuden. Anonym, gedankenverloren, beinahe seelenlos. Aber zielstrebig. Es ist, als habe jemand den Startschuss für einen Wettlauf abgefeuert - ein Rennen durch eine Stadt, die dank ihres Reichtums an Jobs, Geld und Kultur zu den attraktivsten der Welt gehört und zugleich wegen der Hektik, des Lärms und der Umweltverschmutzung ein Albtraum ist.

Rund neun Millionen Menschen leben heute in New York City, mehr als 18 Millionen sind es, wenn man alle Vororte dazurechnet. Eine weitere Million Einwohner soll in den nächsten 20 Jahren hinzukommen. Tagtäglich schafft eine Armee von Müllmännern Unmengen von Abfall - oft ungetrennt - aus der Stadt. Der Energieverbrauch ist gigantisch, und ein Prozent aller in den USA erzeugten Treibhausgase wird auf der relativ kleinen Fläche New Yorks ausgestoßen.

Zeit zur Umkehr! Meint jedenfalls Bürgermeister Michael Bloomberg - und legte jetzt einen ebenso ehrgeizigen wie kühnen Plan vor, wie New York zur grünsten Metropole der USA werden soll. "Die Erde ist dir nicht von deinen Eltern gegeben worden, sondern deine Kinder haben sie dir geliehen", philosophierte Bloomberg bei der Vorstellung seines Konzepts. Dann holte er zu einem Angriff gegen die Umweltpolitik seines Parteifreundes, des Präsidenten George W. Bush, aus: "New York darf und wird nicht auf Washington warten. Wir befinden uns auf einem Kollisionskurs mit der Umwelt. Wir müssen handeln. Heute."

Bloomberg nannte die wichtigsten von insgesamt 127 Initiativen, die Experten in seinem Auftrag ausgetüftelt haben.

  • Jeder soll alles innerhalb von zehn Minuten zu Fuß erreichen können: Schulen, Parks, Supermärkte, Sportstätten, Geschäfte. Tatsächlich ist New York bereits historisch in sogenannte Neighborhoods aufgeteilt, wo man noch heute um die Ecke einen Schumacher, Schneider oder eine Reinigung findet. Bloomberg will dies ausbauen. "Wir werden in allen Stadtteilen neue Anlagen für Fußball, Baseball, und anderen Sport schaffen. Wir werden Flutlichtanlagen auf alten Anlagen errichten, um die Öffnungszeiten auszudehnen. Wir werden 290 Schulhöfe ausbauen und als öffentliche Spielplätze zur Verfügung stellen." In Manhattan ist dies kein Problem. Doch in den großflächigen Stadtteilen Brooklyn oder Queens gibt es bis heute in den armen Gegenden keine Parks. Die Schulen liegen oft weit entfernt.
  • Die Stadt soll grüner werden: Bloombergs Ziel sind eine Million neue Bäume binnen zehn Jahren. "Ich habe nicht gerade das Image, ein Öko- und Baum-Umarmer zu sein. Doch Umfragen haben ergeben, dass die New Yorker Bäume lieben und dass Bäume die Lebensqualität erhöhen", sagt er. Auch dieser Plan stößt vielerorts rasch an Grenzen: In den engen Häuserschluchten um die Wall Street beispielsweise ist kaum Platz, beziehungsweise Bäume müssen mit wenig Sonnenlicht auskommen.
  • Der Individualverkehr soll drastisch zurückgehen. Dies ist einer der Kernpunkte in Bloombergs Umweltplänen, der die Geldbeutel der New Yorker am stärksten treffen wird. Wie in London soll eine Verstopfungsgebühr für die Straßen eingeführt werden. Jeder, der mit dem Auto unterhalb der 86. Straße nach Manhattan fährt, soll acht Dollar (Lkw 21 Dollar) City-Maut bezahlen. Bloomberg weiß, dass dies bei der Bevölkerung umstritten ist. Und so macht er klar, dass eigentlich nur eine Minderheit - die der Pendler - betroffen ist. "Menschen, die ohnehin in Manhattan leben, müssen diese Maut nicht zahlen." Die Sache hat zwei Haken. Erstens: Um den Plan zu verwirklichen, muss Bloomberg eine Genehmigung von New Yorks Gouverneur Eliot Spitzer bekommen, dem - wie Bloomberg - Ambitionen auf eine Präsidentschaftsbewerbung nachgesagt werden. Zweitens: Die finanzielle Belastung trifft vor allem jene, die nicht reich genug sind, um in Manhattan zu leben, wo eine Einzimmerwohnung 2000 und mehr Euro im Monat Miete kostet.
  • Steuervorteile für umweltbewusste Mitbürger. Jeder, der ein Hybrid-Auto kauft, soll keine Pkw-Steuern mehr zahlen. Auch soll beim Kauf von energiesparenden Waschmaschinen, Glühlampen und anderen Haushaltsgeräten die Mehrwertsteuer entfallen. Hausbesitzer, die Wasser für die Toilettenspülung wieder verwenden, sollen ebenfalls Steuervorteile bekommen.
  • Das Abwassersystem soll erneuert werden. Gegenwärtig laufen 60 Prozent der Abwässer durch dieselben Rohre wie das Regenwasser. Folge: Bei starkem Regen werden Aufbereitungsanlagen überlastet, und Abwässer fließen ungefiltert in die Buchten und Flüsse von New York.
  • Die Stadt will künftig qualitativ besseres Heizöl einsetzen, um den Schadstoffausstoß um jährlich 3000 Tonnen zu reduzieren.
  • Ausbau der Massentransportmittel. Die Schulbus-Flotte, die mit Dieselmotoren fährt, soll Hybrid-Fahrzeuge bekommen. An der Upper East Side ist bereits eine neue Subway im Bau.
  • Bezahlbare Wohnungen: Bloomberg will die Flächen über den viel befahrenen Straßen und Bahngleisen überbauen lassen. Insgesamt sollen so Hunderttausende Wohnungen für die eine Million Neubürger entstehen, die in den kommenden zwei Jahrzehnten in die Stadt ziehen.

Die Reaktionen auf Bloombergs Pläne sind naturgemäß gemischt. Joe Caracillo (44), ein Chiropraktiker an der Upper East Side, applaudiert: "Die Pläne sind großartig. Die Stadt muss dringend entlastet werden. Dafür bin ich gern bereit, mehr Geld zu bezahlen." Mike McNichols (44) hingegen, der mit seiner Frau und vier Kindern in New Jersey lebt und pendeln muss, schimpft: "Bloomberg spinnt wohl. Ich zahle heute schon täglich sechs Dollar, um durch den Lincoln Tunnel nach Manhattan zu kommen, plus 400 Dollar im Monat für einen Parkplatz. Nun soll ich noch einmal rund 200 Dollar Maut im Monat zahlen? Umweltschutz ist wichtig. Aber ich muss auch meine Kinder ernähren können."

Bloomberg weiß, dass Kritiker seine Pläne für zu ehrgeizig halten. Doch der Medien-Mogul und Multimilliardär hält Ehrgeiz für eine Tugend. Wenn man an die Zukunft denke, sei es hilfreich in die Vergangenheit zu blicken. "Als 1850 die ersten Pläne für den Central Park vorgelegt wurden, haben die Leute gesagt: ,Viel zu groß. Brauchen wir nicht!' Was meinen sie heute?" Und er erinnert an den Bau der Subway, die um 1890 geplant wurde: "Viel zu teuer, hieß es damals. Braucht niemand. Stellen Sie sich New York heute ohne Subway vor." Zuletzt erinnerte er an die große Depression. "Damals lachten die Menschen über das geplante Rockefeller Center. Lachen sie heute?"