Geheime US-Hilfe für die Aufständischen. Drei Millionen Menschen bangen um ihre Versorgung. Annan tritt als Uno-Sondergesandter zurück.

Aleppo/Washington. Der Kampf zwischen syrischen Oppositionellen und den Truppen von Machthaber Baschar al-Assad steuert auf eine Entscheidung zu. In der seit mehr als einer Woche andauernden Schlacht um die Wirtschaftsmetropole Aleppo konnten die Aufständischen nicht nur die Angriffe der regulären Armee abwehren, sondern starteten gestern auch einen Panzerangriff auf einen Luftwaffenstützpunkt. Das westliche Ausland rückt zudem zunehmend vom Kurs der Nichteinmischung ab: US-Präsident Barack Obama ermächtigte Regierungskreisen zufolge die US-Geheimdienste zur verdeckten Unterstützung syrischer Rebellen.

In den vergangenen Tagen sickerten immer neue Informationen über die US-Strategie aus dem Washingtoner Regierungsapparat. Vielleicht schon vor Monaten habe Obama still und heimlich dem Geheimdienst CIA per Unterschrift erlaubt, aktiv zu werden, berichtete der Nachrichtensender CNN. Das Weiße Haus bestätigt das bislang nicht.

Gemunkelt wurde aber längst, dass amerikanische Agenten in dem Konflikt kräftig mitmischen. So sollen sie etwa von der Türkei aus kontrollieren, welche Oppositionskämpfer auf der anderen Grenzseite Gewehre, Panzerfäuste oder etwa Raketenwerfer erhalten.

Diese Geheimoperation solle zwar auch verhindern, dass die Waffen in die Hände von Terroristen etwa des Netzwerks al-Qaida fielen, schrieb die "New York Times". Denn die unübersichtliche Zahl der Rebellengruppen und deren nicht immer bekannte Motive bereiten den USA große Kopfschmerzen. Doch Experten munkeln, dass die CIA dank der nun bekannt gewordenen Obama-Erlaubnis viel weiter gehen kann. Zumal auch andere Regierungsstellen wie das US-Finanzministerium zunehmend syrische Oppositionsgruppen als Partner "legalisieren".

Schon beim Aufstand in Libyen gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi vor einem Jahr hatte Obama die Unterstützung der Opposition verfügt. Die Amerikaner dienten etwa mit Satellitenfotos von Truppenbewegungen des Regimes. Was die US-Hilfe diesmal genau umfasst, liegt noch im Verborgenen. Sind es auch Aufklärungsflüge unbemannter Drohnen über Syrien, wie bereits vor einem halben Jahr spekuliert wurde? Bekannt wurden jetzt lediglich die - offiziellen - Kosten für die Rebellenunterstützung: Rund 25 Millionen Dollar (rund 20 Millionen Euro) für sogenannte "nicht tödliche" Ausrüstung, darunter Medizin und Kommunikationstechnik. Direkte Waffenlieferungen lehnt Obama bislang ausdrücklich ab. Offiziell warten die USA auf eine Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die den Weg für Strafmaßnahmen gegen das Regime in Syrien frei macht. Doch die Blockade durch Russland und China sorgt in Washington für immer größeren Frust. Den hat auch der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon teilte mit, sein Vorgänger werde von seiner Mission in Syrien Ende August zurücktreten .

Vielleicht sickern auch deshalb gerade jetzt Informationen über die Unterstützung der Rebellen durch, während die Welt mit Blick auf die Großoffensive des Regimes in der Stadt Aleppo fragt, was der Westen eigentlich tut.

In der Millionenstadt eröffneten die Rebellen mit einem erbeuteten Panzer das Feuer auf den Luftwaffenstützpunkt Menakh rund 35 Kilometer nördlich des Zentrums. "Wir haben den Flughafen mehrmals angegriffen, aber dann entschieden, uns zurückzuziehen", sagte ein Kämpfer, der sich Abu Ali nannte. In der Stadt selbst befestigten die Rebellen ihre Stellungen in Erwartung eines Sturms der Assad-Truppen. Die Aktivitäten des syrischen Militärs konzentrierten sich auf den Vorort Salaheddine, ein Einfallstor nach Aleppo. Der strategische wichtige Distrikt lag unter Dauerfeuer von Panzern und Artillerie. Das Kappen von Handy-Verbindungen am Mittwoch und die militärischen Aktivitäten der Armee wurden als Hinweis dafür gesehen, dass ein Großangriff auf Aleppo unmittelbar bevorstand. Während in Aleppo möglicherweise die kriegsentscheidende Schlacht bevorsteht, kam es auch in Damaskus zu Zusammenstößen zwischen den Truppen Assads und seinen Gegnern. Nach Angaben der Aufständischen wurden bei einem Vorstoß der Truppen des Präsidenten in ein Viertel der Hauptstadt mindestens 35 Menschen getötet, die meisten durch Schüsse ins Gesicht, den Kopf oder den Nacken. Bislang sind bei den Kämpfen schätzungsweise 18.000 Menschen getötet worden.

Die Gewalt nimmt offenbar auch vonseiten der Rebellen immer brutalere Formen an: Ein im Internet veröffentlichtes Video zeigte, wie allem Anschein nach ein Mitglied der Regierungstreuen Miliz Schabiha im Stile einer Hinrichtung von Aufständischen erschossen wird. Die Echtheit der im Internet aufgetauchten Video-Aufnahmen konnte nicht überprüft werden. Dennoch könnte der Vorfall die Widerstandsbewegung gegen Assad, die sich in einem moralisch gerechtfertigten Kampf gegen ein autoritäres Regime sieht, in Erklärungsnot bringen.

Durch die mittlerweile weite Teile des Landes erfassenden Kämpfe zeichnen sich zudem immer dramatischere Versorgungsengpässe für die syrische Bevölkerung ab. Wegen der erwarteten Ernteausfälle bräuchten bis zu drei Millionen Menschen in den kommenden zwölf Monaten Unterstützung für die Nahrungsmittelproduktion, heißt es in einem Bericht des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Viele Bauern würden an der Ernte gehindert. Es fehlten Arbeitskräfte und Geräte, weil deren Besitzer diese wegen der unsicheren Lage nicht ausleihen.