Überraschendes Einlenken der Militärjunta in Birma. Die Behörden ließen die Teilnahme von Diplomaten am Prozess gegen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu.

Rangun. Eigentlich macht die Militärjunta von Birma nur mit Schreckensnachrichten Schlagzeilen. Am Mittwoch war das anders: völlig überraschend erlaubte sie den rund zwei Dutzend Botschaftern in Rangun eine Begegnung mit der seit sechs Jahren eingesperrten Ikone des Widerstands, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. „Sie ist gefasst, aufrecht und knistert vor Energie“, sagte der britische Botschafter Mark Canning später der BBC. Er durfte der Oppositionsführerin im Insein-Gefängnis die Hand schütteln, wo sie wegen Verletzung der Auflagen ihres Hausarrests vor Gericht steht. Die EU und die USAhaben dies als Schauprozess scharf kritisiert.

Die Beweggründe der Junta-Generäle bleiben wie meist im Dunkeln. Sollte der weltweite Aufschrei der Empörung über die jüngste Anklage gegen Suu Kyi Wirkung gezeigt haben? Erhoffen sie sich vielleicht weniger Kritik an dem erwarteten Schuldspruch, weil Diplomaten nun gesehen haben, dass Suu Kyi vor einem richtigen Gericht steht? „Es war zwar alles da, was zu einem Prozess gehört:Richter, Ankläger, Verteidiger“, sagte Canning. „Aber das ändert nichts an den grundlegenden Tatsachen. Ich fürchte, dies ist eine Geschichte, bei der das Ende des Drehbuchs schon geschrieben ist.“

Abgesehen von dem UN-Sondergesandten, der ein paar Mal zu Suu Kyi vorgelassen wurde, sind die Diplomaten die ersten Ausländer, die die Oppositionsführerin seit 2003 zu Gesicht bekommen haben.Sie steht in ihrem Haus am Inya-See inRangun völlig isoliert unter Hausarrest, mit einer Haushälterin und deren Tochter. Ein Arzt darf einmal im Monat vorbeikommen. Die Post wird kontrolliert, das Telefon ist tot. So lebt Suu Kyi nicht erst seit 2003. Sie hat seit 1990 insgesamt 13 Jahre unter Hausarrest verbracht.

Umso erstaunlicher, wie energiegeladen der Botschafter die Politikerin beschreibt. Suu Kyi war entspannt und lachte, schüttelte die Hände der Diplomaten und hatte für jeden ein paar freundliche Worte übrig. „Vielen Dank für Ihre Unterstützung“, sagte sie. „Ich hoffe, ich treffe Sie eines Tages unter besseren Umständen wieder.“

Wenn es nach dem Drehbuch der Junta geht, liegt dieser Tag allerdings noch in weiter Ferne. Bei einem Schuldspruch drohen Suu Kyi fünf Jahre Haft. Kein Beobachter rechnet mit einem Freispruch. Die Junta hat dem seit 1962 unter Militärherrschaft stehenden Volk eine „mit Disziplin blühende Demokratie“ versprochen, in der echte Demokraten wie Suu Kyi nur imWeg stehen würden.

Zwar soll es nächstes Jahr Wahlen geben. Doch hat sich das Militär einViertel der Parlamentssitze und Schlüsselpositionen in der Regierung reserviert. Die staatlich sanktionierte Massenorganisation USDA mit angeblich 23 Millionen Mitgliedern soll möglichst viele der restlichen Sitze gewinnen. Eine Ikone des Widerstands wie Suu Kyi, die bei jedem Auftritt Massenaufläufe begeisterter Anhänger der Opposition auslöst, könnte den Generälen da nur in die Parade fahren.

Die Europäer und Amerikaner protestieren zwar immer scharf gegen die Zustände inBirma und verhängen Sanktionen. Doch halten sich die Geschäfte der Birmanen mit dem Westen sehr in Grenzen. Wehtun würde den Generälen viel mehr der Druck von Nachbarn, mit denen sie rege Wirtschaftsbeziehungen pflegen:Indien, Thailand und vor allem China. Aber aus Peking kommen bislang nur lauwarme Ermahnungen:„Über Birmas Angelegenheiten müssen die Birmanen befinden“, meinte der Sprecher des Außenministeriums, Ma Zhaoxu. „Wir hoffen, dass die Beteiligten Versöhnung, Stabilität und Entwicklung durch Dialog erreichen.“