Amerikaner und Briten rücken vor - Raketen treffen Saddams Bunker und Ministerien - Bomben auf Präsidentengarde - Irak beschießt Kuwait mit “Scuds“ - Ölfelder brennen

Bagdad/Washington. Die Großoffensive gegen den Irak läuft. Gestern Abend gegen 19.15 Uhr überschritten Einheiten der I. Marine Expeditionary Force und britische Truppen die Grenze von Kuwait zum Irak. Sechs Minuten zuvor erlebte Bagdad seinen zweiten Luftangriff des Tages, bei dem Regierungsgebäude wie das Außen- und das Planungsministerium getroffen wurden. Die Offensive der USA und ihrer Koalition hat weltweit Proteste hervorgerufen. Der Krieg unter dem US-Motto "Operation irakische Freiheit" hatte in der Nacht zum Donnerstag um 3.33 Uhr MEZ begonnen. 90 Minuten nach Ablauf des amerikanischen Ultimatums an Diktator Saddam Hussein, ins Exil zu gehen, feuerten die US-Kreuzer "Bunker Hill" und "Cowpens", die Zerstörer "Milius" und "Donald Cook" sowie die Jagd-U-Boote "Montpellier" und "Cheyenne" insgesamt 40 Marschflugkörper ab. Sie schlugen satellitengesteuert in und um Bagdad ein. Zusätzlich wurden Bunker brechende Präzisionsbomben von F-117 "Nighthawk" Tarnkappenbombern abgeworfen. Ziele des kurzfristig angeordneten Angriffs waren Bunker, in denen der US-Geheimdienst CIA Saddam Hussein vermutete. Kurz nach diesem ersten Luftangriff sagte US-Präsident George W. Bush in einer TV-Rede: "Auf meinen Befehl hin haben die Streitkräfte der Koalition begonnen, ausgewählte Ziele von militärischem Wert anzugreifen. Dies sind die ersten Stufen eines breit angelegten Feldzugs." Bush warnte vor Hoffnungen auf einen sehr schnellen Erfolg: Der Krieg könne schwieriger und länger werden als manche annähmen. Das Ziel, Saddam bereits durch den ersten Nachtangriff auszuschalten, wurde offenbar nicht erreicht. Obwohl die Bunker getroffen wurden, strahlte das irakische Fernsehen kurz darauf eine Rede des Diktators auf, in der er den "Heiligen Krieg" gegen die USA ausrief. Wenige Stunden nach den ersten US-Luftschlägen startete der Irak mehrere Raketen Richtung Kuwait. Gegen 8.30 Uhr MEZ schlugen zwei "Scud"-Flugkörper in der Region Mutlaa ein. Die Schockwelle war noch in der Dutzende Kilometer entfernten Hauptstadt Kuwait-City zu spüren. Viele Menschen rannten mit Gasmasken in Schutzräume, doch die Furcht vor einem Chemiewaffen-Angriff stellte sich als unbegründet heraus. Die "Scuds" waren mit konventionellen Sprengköpfen bestückt. Zwei Raketen wurden von US-Abwehrraketen vom Typ "Patriot" abgefangen. Die Bodenoffensive gestern Abend war kurz vor ihrem Beginn von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im amerikanischen Fernsehen indirekt angekündigt worden. Rumsfeld sagte, es werde eine Offensive geben, wie sie noch nie stattgefunden habe. Er riet den irakischen Soldaten, keinen Widerstand zu leisten. "Dies ist kein Krieg gegen das Volk des Irak und auch nicht gegen den Islam, sondern gegen ein Regime", sagte Rumsfeld. Um 19.09 Uhr wurde Bagdad dann vom zweiten Luftangriff getroffen. Die Explosionen kamen von der Westseite des Tigris, dort befindet sich die größte Palastanlage von Saddam Hussein mit der Zentrale des Geheimdienstes. Über dem Westufer des Flusses stieg ein gewaltiger Rauchpilz auf. Auch zwei weitere Gebäude, darunter offenbar auch das Außenministerium, wurden schwer getroffen. Das US-Verteidigungsministerium sagte, Ziel des Angriffs seien Stützpunkte der Republikanischen Garde Saddams gewesen. Der Luftangriff dauerte etwa zehn Minuten. Etwa gleichzeitig überschritten die ersten US-Marineinfanteristen und britischen Truppen die Grenze im Süden des Iraks. Die I. Marine Expeditionary Force aus Camp Pendleton (Kalifornien) ist eine etwa 30 000 Mann starke Eliteeinheit. Das Ziel ihres Vorstoßes blieb zunächst unklar. Es könnten aber die Ölfelder von Basra sein. Dort standen angeblich am Abend zwei Ölquellen in Flammen. Weltweit stieß der Beginn des Krieges überwiegend auf heftige Kritik. Bundeskanzler Gerhard Schröder nannte ihn die "falsche Entscheidung". Russland und Frankreich verlangten die sofortige Einstellung der Militäraktion.