Präsident Abbas fordert in der Uno-Vollversammlung die Anerkennung als Staat. Unterdessen eskaliert die Gewalt im Westjordanland.

New York/Jerusalem. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat trotz aller Warnungen und Drohungen Israels und der USA am Freitag in New York bei Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon den Antrag auf Vollmitgliedschaft eines Staates Palästina bei den Vereinten Nationen eingereicht. Er wurde anschließend in der Vollversammlung mit langem Applaus von vielen der Delegierten begrüßt.

Im Westjordanland und im Gazastreifen feierten Tausende Palästinenser den historischen Antrag. Sie versammelten sich vor Großleinwänden und brachen angesichts der Bilder aus New York in Jubel aus. "Ich hoffe, dass der Antrag uns dem Frieden näherbringt", sagte Mahmud Tarifi, einer der gut 5000 Zuschauer auf dem Arafatplatz in Ramallah. "Dann könnten Israelis und Palästinenser friedlich nebeneinander leben, jeder in seinem Staat", sagte der Familienvater.

In seiner Rede griff Abbas Israel scharf an: "Die Besatzungsmacht hält die Blockade des Gazastreifens aufrecht und zielt auf palästinensische Zivilisten mit Anschlägen, Luftangriffen und Artilleriebeschuss als Fortsetzung des Aggressionskrieges von vor drei Jahren." Zudem machte Abbas Israels Weigerung, das Ende des Siedlungsbaus und die Grenzen von 1967 als Vorbedingung für Gespräche anzuerkennen, für das bisherige Scheitern der Friedensverhandlungen verantwortlich.

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Abbas versicherte aber auch, dass die Palästinenser Israel nicht isolieren oder entrechten wollten. Es gehe ihnen lediglich darum, endlich die Siedlungspolitik und die Besetzung zu beenden. Im Namen des palästinensischen Volkes strecke er der israelischen Regierung die Hand entgegen. "Lasst uns Brücken der Verständigung bauen statt Brücken für Grenzübergänge und eine Trennmauer", sagte Abbas.

Die Palästinenser wären das 194. Mitglied der Vereinten Nationen. Allerdings ist der Antrag mehr symbolisch, weil er keine Chancen hat, angenommen zu werden. Die USA haben bereits ihr Veto im Sicherheitsrat angekündigt. Abbas wollte jedoch ein Zeichen setzen. Die Palästinenser sind nach 20 Jahren fruchtloser Friedensbemühungen frustriert und wollen mit dem Vorstoß neue Bewegung in Nahost bewirken.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der gut eine Stunde nach Abbas sprach und ebenfalls mit Beifall begrüßt wurde, bekräftigte in der Vollversammlung seinen Willen zum Frieden im Nahen Osten. Er forderte die Staaten jedoch auf, dem palästinensischen Antrag nicht zu entsprechen. "Die Palästinenser wollen einen eigenen Staat ohne Frieden", sagte Netanjahu. "Das ist aber nicht möglich."

Netanjahu beklagte sich über die Haltung der internationalen Gemeinschaft zu seinem Land. "Israel wird mehr als jedes andere Land der Welt verurteilt", sagte er. Israel habe seit seiner Gründung allen immer in friedlicher Absicht die Hand gereicht. Er reiche sie seinen Nachbarn auch jetzt, sagte Netanjahu, "ganz besonders dem palästinensischen Volk, mit dem wir anhaltenden Frieden suchen".

Bevor Abbas seinen Antrag einreichte, kam es im Westjordanland zu Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und Siedlern und palästinensischen Demonstranten, ein Palästinenser wurde dabei erschossen. Etwa 200 Siedler hätten zuvor in der Nähe des Dorfes Kusra Bäume entwurzelt und verbrannt, berichtete ein Augenzeuge. Daraufhin seien sie von palästinensischen Dorfbewohnern mit Steinen beworfen worden. Israelische Sicherheitskräfte setzten Tränengas und scharfe Munition ein. Auch Siedler eröffneten das Feuer. Das 35-jährige Opfer sei tödlich im Genick getroffen worden, teilte ein palästinensischer Arzt mit. Ein weiterer Palästinenser sei verwundet worden.

Auch an anderen Orten kam es zu Ausschreitungen. Israelische Sicherheitskräfte gingen am Kontrollposten Kalandija mit Tränengas gegen Steine werfende Palästinenser vor. Im Dorf Nabi Sale verbrannten Demonstranten israelische Flaggen und Poster von US-Präsident Barack Obama. Viele trugen einen in den Uno-Farben bemalten Stuhl, der ihr Streben nach Anerkennung eines unabhängigen Staates symbolisieren sollte. Nach Angaben der Zeitung "Haaretz" hatten die israelischen Streitkräfte im Vorfeld der Uno-Rede von Abbas Verstärkungen ins Westjordanland entsandt. Die radikalislamische Hamas hatte für Freitag zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen.

Etwa 22 000 israelische Sicherheitskräfte waren am Freitag im Einsatz, um auf mögliche Unruhen reagieren zu können, wie Polizeisprecher Mickey Rosenfeld sagte. Der israelische Generalstabschef Benny Ganz hatte schon zuvor gesagt, die Armee sei auf Ausschreitungen in den Palästinensergebieten vorbereitet. Gleichzeitig betonte er: "Bisher hat sich die Palästinensische Autonomiebehörde darum bemüht, die Vorfälle unter Kontrolle zu halten. Ich hoffe, dass sie dies auch in den nächsten Tagen tun wird."