Die Hamas unterstützt den Plan von Präsident Mahmud Abbas, die Anerkennung Palästinas bei den Vereinten Nationen zu beantragen, nicht.

Gaza. In der Debatte über den angekündigten Antrag der Palästinenser auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen gerät eine Hälfte des Volkes in Vergessenheit. Die Bewohner des Gazastreifens müssen untätig zusehen, wie die palästinensische Autonomiebehörde mit Sitz im Westjordanland das Vorhaben vorantreibt. Die im Gazastreifen regierende Hamas kann dem Plan nicht öffentlich widersprechen, will die Rivalen um Präsident Mahmud Abbas aber auch nicht unterstützen.

Die palästinensische Führung im Westjordanland "vergisst den fehlenden Teil, den Gazastreifen“, sagte Taher Chalil, ein 45-jähriger pensionierter Beamter und Vater von sieben Kindern. "Wir haben aus dem Fernsehen von dem Plan erfahren, wir wissen nicht, was richtig und was falsch ist. Niemand hat uns gesagt, wie die Zukunft aussieht, nachdem wir den Antrag bei den UN eingereicht haben.“ Die Regierung von Abbas hat keinen Einfluss auf den Gazastreifen, in dem 1,5 Millionen Menschen leben. Die Hamas verdrängte dort 2007 die Autonomiebehörde und baute einen islamisch-ausgerichteten Ministaat auf, mit Ministerien, Militär und Post.

Kritik am Alleingang

Die Hamas, die sich die Zerstörung Israels auf die Fahnen geschrieben hat, unterstützt den Antrag bei den UN nicht, sie hat ihn aber auch nicht öffentlich verurteilt. Stattdessen kritisierte sie Abbas, auch bekannt als Abu Masen, für seinen Alleingang. "Abu Masens Entscheidung, zu den UN zu gehen, ohne vorher mit den palästinensischen Gruppen über die negativen und positiven Folgen eines solchen Schritts zu beraten, ist sehr riskant“, sagte Hamas Sprecher Fausi Barhum. Eine solche Entscheidung müsse von allen Beteiligten getroffen werden und nicht von einer Einzelperson.

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Hinzu kommt, dass die Hamas die letzte Parlamentswahl 2006 gewann. Die Gruppe versteht sich daher als legitime Vertretung des palästinensischen Volkes. Die Regierung von Abbas wird international anerkannt und bekommt auch die Hilfsgelder ausgezahlt. Allerdings ist die offizielle Amtszeit des Präsidenten abgelaufen, er regiert nur noch per Dekret.

Meinungen in der Bevölkerung gehen auseinander

In Gaza gibt es Souvenir-Tassen zu kaufen, die an die Initiative zur Anerkennung erinnern sollen. Der UN-Antrag ist das Gesprächsthema Nummer eins der Stadt. Aber die Meinungen gehen weit auseinander. So erklärte der 23-jährige Student Auni Uda, er wäre mit einem Staat, der sich an den israelischen Grenzen von 1967 ausrichte, nicht zufrieden. Er wolle einen Staat, der Israel ersetze. „Abbas will unser verbliebenes Land und unsere Rechte der Besatzung auf dem Silbertablett servieren“, sagte Uda.

Der 42-jährige Lehrer Rauan Hassan sprach von einem kosmetischen Schritt. „Der Konflikt mit Israel ist nicht vorbei und wird nie vorbei sein, bis der palästinensische Staat in der Realität existiert und nicht auf dem Papier.“ Der 25 Jahre alte Kellner Suhair Hamdan erklärte dagegen, sein Volks habe nichts zu verlieren. Es geschehe selten genug, dass der Name Palästina ohne eine Erwähnung von Gewalt im Fernsehen erscheine.

Ein positives Abstimmungsergebnis wird die Situation vor Ort nicht verändern, weder im Gazastreifen noch im Westjordanland. Abbas und seine Vertrauten haben erklärt, sie erhofften sich von der Anerkennung eine verbesserte Ausgangsposition, sollten die Friedensgespräche mit Israel wieder aufgenommen werden. Auch eine Annäherung zwischen der Fatah von Abbas und der Hamas gilt als möglich.