Jahrelanger Bürgerkrieg, unklare Landrechte und die mangelnde Produktivität der Landwirtschaft. Die Hungersnot in Afrika hat viele Ursachen.

Berlin. Die Katastrophe, die sich am Horn von Afrika abspielt, hat sich vor einigen Monaten angekündigt. Normalerweise regnet es im Oktober und im November an der Ostspitze des afrikanischen Kontinents kräftig, die Natur erholt sich von den trockenen Monaten zuvor. Im April und Mai folgt dann die Hauptregenzeit. Doch dieses Jahr ist der Regen ausgeblieben.

Die ungewohnt heftige Trockenheit ist der wichtigste Grund für die größte Hungersnot seit Jahrzehnten in diesem Teil Afrikas. Dass die Lage nur noch mit internationaler Nothilfe zu bewältigen ist, hat aber noch andere Gründe - den jahrelangen Bürgerkrieg in Somalia, unklaren Landrechte in Äthiopien und ganz generell: die mangelnde Produktivität der Landwirtschaft in Afrika. "Insgesamt gesehen könnte sich der gesamte afrikanische Kontinent selbst ernähren", ist Stephan Krall überzeugt, Landwirtschaftsexperte der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).

+++ Kommentar: Die Not ist längst global +++

Den Aufzeichnungen des von den USA initiierten Hunger-Warnsystems FEWS ist zu entnehmen, dass der vergangene Herbst am Horn von Afrika einer der trockensten seit Jahrzehnten war. Das Gleiche gilt für dieses Frühjahr. Zwar sind Dürren in der Sahelzone, südlich der Sahara, nicht ungewöhnlich. Aber die stark schwankenden Wetterverhältnisse seit einigen Jahren sind neu. Ob sie nun durch den Klimawandel hervorgerufen werden oder nicht: "Die Niederschläge sind in den vergangenen Jahren immer unberechenbarer geworden", sagt GIZ-Mann Krall. Für die Bauern sei es schwierig, sich darauf einzustellen. Knappheit an Nahrungsmitteln wäre unproblematisch, wenn in anderen Teilen der Länder genügend Lebensmittel produziert würden. In Äthiopien und Kenia sei das auch grundsätzlich der Fall, berichtet Wolfgang Heinrich, Experte des evangelischen Entwicklungsdienstes EED für die Länder am Horn von Afrika. In Somalia aber ist die Landwirtschaft fast komplett zum Erliegen gekommen. Bewässerungskanäle und Straßen sind in 20 Jahren Krieg zerstört worden. Außerdem gibt es nur wenige Menschen, die überhaupt auf dem Acker arbeiten können. "Fast die ganze Generation der 15 bis 35 Jahre alten Männer fällt aus, weil sie von den verschiedenen Milizengruppen im Land rekrutiert oder inhaftiert worden sind", sagt Heinrich.

Äthiopien und Kenia dagegen haben nicht nur sehr fruchtbare Gegenden, sondern inzwischen auch ein relativ gut funktionierendes Sicherheitsnetz für Ernteausfälle. In Äthiopien nimmt der Staat regelmäßig einen Teil der Ernte vom Markt und deponiert sie in dezentralen Lagern; die Kosten dafür tragen die USA und Kanada. In Kenia sorgt die Privatwirtschaft dafür, dass das ganze Land genügend Agrarprodukte zur Verfügung hat.

Doch während es in Kenia große Landwirtschaftsbetriebe gibt, die zum Teil sehr exportorientiert arbeiten, leidet Äthiopien unter einem sehr grundsätzlichen Problem: Die Bauern haben keine Rechtssicherheit. Das Land gehört dem Staat, und die Nutzungsrechte, die vergeben werden, können den Farmern jederzeit entzogen werden. Sie haben keinen Anreiz, ihr Land produktiv zu pflegen.

Gleichzeitig habe der Staat riesige Flächen an Investoren aus Saudi-Arabien, Indien und Bangladesch verpachtet, die Lebensmittel für den Export anbauen wollen. Mit den Pachteinnahmen will Äthiopien sich auf dem internationalen Markt mit Lebensmitteln eindecken - "wie das funktionieren soll, ist mir schleierhaft", sagt Heinrich.

Die Erträge der meisten Flächen in Afrika ließen sich mit relativ geringem Aufwand erhöhen, meint sein Kollege Krall von der GIZ. "Wichtig ist die Vermittlung von Wissen über Anbautechniken, Bodenbearbeitung und Bodenfruchtbarkeit." Doch der GIZ-Experte vermisst die nötigen Anstrengungen, die Produktion von Nahrung voranzubringen. "Der Landwirtschaft wird nicht genügend Beachtung geschenkt."

Kenia öffnet weiteres Flüchtlingscamp

Die kenianische Regierung hat zugestimmt, wegen der verheerenden Dürre in der Region ein weiteres Flüchtlingscamp an der Grenze zu Somalia zu eröffnen. Mit dem neuen Zentrum soll das völlig überfüllte Dadaab-Camp entlastet werden, in dem fast 400 000 Menschen Zuflucht gesucht haben. Das neue Lager werde in spätestens zehn Tagen seine Pforten öffnen und rund 80 000 Menschen Platz bieten, berichtete der britische Sender BBC. „Obwohl wir an unsere eigene Sicherheit denken müssen, können wir die Flüchtlinge nicht zurückweisen“, sagte Ministerpräsident Raila Odinga.

Vor wenigen Tagen hatte der Chef des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR), Antonio Guterres, die kenianische Regierung dringend zur Öffnung des neuen Zentrums aufgerufen. Nairobi hatte dies lange Zeit abgelehnt, da befürchtet wird, dass sich die Hunderttausenden Flüchtlinge – die vor allem aus Somalia in die Nachbarländer strömen- dauerhaft in Kenia niederlassen könnten.