Die Mittelmeeranrainer nehmen jedoch im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl deutlich weniger Asylbewerber auf als die Nordländer.

Brüssel. Die Flucht vor den Unruhen in Nordafrika über das Mittelmeer hat seit Jahresbeginn nach Uno-Angaben mindestens 1400 Menschen das Leben gekostet. Während die Zukunft der Region und vor allem Libyens nach wie vor völlig unklar ist, streiten Europas Innenminister um den Umgang mit Flüchtlingen aus Krisengebieten. Der Appell von Menschenrechtlern, Europa dürfe sich nicht auf Grenzschutz und Lastenverteilung fokussieren, verhallt derweil. "Wenn die Abwehr Vorrang hat vor der Rettung von Menschen, läuft etwas dramatisch falsch", so Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats.

Bei ihrem heutigen Treffen in Luxemburg werden die 27 Minister erneut darüber debattieren, wie die Lasten fairer verteilt werden können. Nach Angaben der italienischen Behörden kamen seit Beginn der Unruhen zu Jahresbeginn mehr als 42.000 Menschen über das Mittelmeer allein nach Italien. Rom, aber auch die Regierungen von Griechenland und Malta fordern eine Verteilung der Asylsuchenden über die ganze Europäische Union. Statistiken belegen indes, dass die Südanrainer im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl keineswegs die größte Zahl von Menschen aufnehmen. Schweden beispielsweise nahm 2010 im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl sechsmal mehr Schutzbedürftige auf. Italien hingegen gab nur einem Drittel der Menschen, denen es seiner Bevölkerungsstärke entsprechend Schutz bieten müsste, Aufenthalt. Nach EU-Recht muss der Staat, in dem ein Asylbewerber europäischen Boden betritt, auch das Asylverfahren durchführen ("Dublin-Verfahren"). Deutschland profitiert davon: Rund ein Drittel der Asylsuchenden wird zurück in das EU-Land gebracht, in das sie zuerst eingereist sind.

Die Bilder von Flüchtlingsbooten aus Libyen und Tunesien, die sich in den vergangenen Monaten erneut häufen, suggerieren, dass der größte Teil der Flüchtlinge im Süden der EU ankommt. In Wirklichkeit reist aber eine weitaus größere Zahl über europäische Flughäfen oder auch Landesgrenzen ein. Weil Einwanderung für jedes Mitgliedsland ein extrem heikles Thema ist, scheitern seit Jahren alle Bemühungen der EU-Kommission, die bis spätestens Ende 2012 eine gemeinsame Asylpolitik aufbauen sollte. Innenkommissarin Cecilia Malmström wird in Luxemburg deshalb erneut ein Asylpaket vorstellen, das unter anderem die Harmonisierung von Aufnahmeregeln vorsieht. Die Vorschläge sind hoch umstritten und waren bereits im vergangenen Sommer unter anderem am deutschen Widerstand gescheitert.

Malmström hat ihre Vorschläge nun überarbeitet und teilweise flexibler formuliert. Trotzdem ist nicht mit der nötigen Zustimmung zu rechnen. Berlin wehrt sich unter anderem gegen garantierte materielle Mindestrechte für Asylbewerber, durch welche diese deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt werden könnten ("Hartz IV für Asylbewerber"). Brüssel drängt auch weiter darauf, dass Deutschland seine "Flughafenregelung" revidiert, die den deutschen Behörden eine umgehende Abweisung von unberechtigten Bewerbern erlaubt.

"Die EU-Kommission versucht, ihr Haus weiter auszubauen, statt erst einmal ordentliche Fundamente für die Asylpolitik zu gießen", kritisiert der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber die Forderungen.