Kommandozentrum von Alliierten zerstört; angeblich ein Sohn des libyschen Diktators bei Kamikaze-Angriff ums Leben gekommen

Hamburg. Angesichts der massiven Luftangriffe alliierter Streikräfte auf seine Truppen und militärischen Installationen setzt Libyens bedrängter Diktator Muammar al-Gaddafi jetzt offenbar auf menschliche Schutzschilde. Berichten nach hat er Zivilisten mobilisiert, um ihn und seine Familie in Tripolis zu schützen. Wie weit sie dies freiwillig tun, ist nicht bekannt. Zudem will er, dass unbewaffnete Libyer als "friedliche Demonstranten mit Olivenzweigen in den Händen" an der Seite seiner Truppen in die Rebellenhochburg Bengasi einmarschieren.

Mit dem Bombardement wollen die Alliierten vor allem verhindern, dass die Truppen des Despoten in den zurückeroberten Städten ein Blutbad anrichten. Die Streitkräfte Frankreichs, Großbritanniens und der USA hatten zuvor ein Kommando- und Kontrollzentrum in Gaddafis ausgedehntem Stützpunkt Bab al-Asisija im Süden der Hauptstadt Tripolis getroffen und schwer beschädigt. Marschflugkörper zerstörten die Hälfte des dreigeschossigen Gebäudes. Über Todesopfer oder den Aufenthaltsort Gaddafis wurde nichts bekannt.

Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim sprach jedoch von einer "barbarischen Bombardierung, die Hunderte Zivilisten hätte treffen können". Er behauptete, die USA und Großbritannien hätten zugesagt, den Komplex nicht anzugreifen. Nur 50 Meter entfernt steht das Zelt, in dem Gaddafi Staatsgäste empfängt. Nach Berichten von Oppositionellen und arabischen Medien ist ein Sohn des "Revolutionsführers", Chamis al-Gaddafi, bei einem Kamikaze-Angriff eines Rebellen-Piloten ums Leben gekommen. Der Mann hatte sich mit seinem Kampfjet auf den Stützpunkt Bab al-Asisija gestürzt. Chamis al-Gaddafi sei an den Folgen schwerer Brandverletzungen gestorben.

In Washington beeilten sich Verteidigungsminister Robert Gates und Stabschef Admiral Mike Mullen zu erklären, dass Gaddafi selber nicht das Ziel des Feldzugs sei. Dagegen sagte der britische Verteidigungsminister Liam Fox, ein Angriff auf Gaddafi sei "eventuell eine Möglichkeit". Auch Außenminister William Hague wollte dies nicht ausschließen.

Nachdem bereits der Vorsitzende der Arabischen Liga, Amr Mussa, die westlichen Angriffe kritisiert hatte, weil sie seiner Einschätzung nach zu zivilen Opfern führen werden, nannte Russlands Regierungschef Wladimir Putin die Uno-Resolution einen "mittelalterlichen Aufruf zur Führung eines Kreuzzugs". All dies geschehe "unter dem Vorwand des Schutzes der Zivilbevölkerung", sagte Putin und fragte: "Wo ist die Logik - wo ist das Gewissen?" Russlands Präsident Dmitri Medwedew wies Putin überraschend in die Schranken und sagte, derartige Vergleiche seien "unangebracht". Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte dazu in Berlin, die westliche Militäraktion in Libyen sei "nicht richtig durchdacht". Es handle sich in Libyen um einen "typischen Bürgerkrieg". Die EU bleibt darüber zerstritten, stellte sich aber in einer gemeinsamen Erklärung hinter den Militäreinsatz.

Ungeachtet der alliierten Angriffe gingen die Auseinandersetzungen am Boden weiter. Die regimetreuen Truppen kämpften um die Städte Misrata, Adschadabija, Senten und Jefren und marschierten weiter auf Bengasi zu.