Wie geheime Dokumente enthüllen, waren neben den 19 bereits bekannten noch weitere Männer an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt.

Hamburg. Die entsetzlichen Szenen der in Feuerbällen explodierenden Türme des World Trade Centers haben sich jedem Menschen unauslöschlich in die Erinnerung gebrannt. Fast 3000 Menschen haben an jenem 11. September 2001 den Tod gefunden. Die Fotos und Namen der 19 Täter und Drahtzieher gingen um die Welt. Doch an den Anschlägen, die die Welt veränderten und Amerika traumatisierten, waren vermutlich noch weitere vier Terroristen beteiligt, von denen die Weltöffentlichkeit bislang nichts wusste.

Wie aus einem geheimen diplomatischen Dokument hervorgeht, das die Enthüllungsplattform WikiLeaks der Londoner Zeitung "The Daily Telegraph" zugespielt hat, gab es neben den bekannten Terroristen - darunter die berüchtigte "Hamburger Gruppe" um Mohammed Atta - offenbar noch vier weitere Beteiligte. Ungeklärt ist noch, ob sie die Terrorpiloten vom 11. September logistisch unterstützt haben - oder ob es sich bei ihnen gar um ein fünftes Terrorteam handelte, das jedoch nicht mehr zum Einsatz kam.

Zwei Teams hatten jeweils eine Passagiermaschine in den Nord- und Südturm des New Yorker World Trade Centers gesteuert, ein drittes lenkte ein Flugzeug in das Pentagon und eine vierte Maschine stürzte auf freiem Feld in Pennsylvania ab, nachdem es an Bord einen Kampf mit todesmutigen Passagieren gegeben hatte. Der im Juli 2005 veröffentlichte Bericht der 9/11-Kommission erwähnt, dass sich mindestens zwei der Al-Qaida-Terroristen - Nawaf al-Hazmi und Khalid al-Mihdhar - kurz vor dem Anschlag in Los Angeles aufgehalten hatten. Dort hätten die Terroristen wohl Unterstützung bekommen - möglicherweise von jenen vier Männern, die zu diesem Zeitpunk ebenfalls in Los Angeles waren.

Am 11. Februar 2010 hatte Mirembe Nantongo, stellvertretende amerikanische Botschafterin in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, ein zweiseitiges Schreiben an US-Außenministerin Hillary Clinton, an das FBI, den Geheimdienst CIA sowie das mächtige US-Heimatschutzministerium mit dem Nationalen Antiterrorzentrum NCTC geschickt. Die Note war gekennzeichnet als "geheim", wurde mit Priorität abgeschickt - und enthielt eine Sensation.

Darin wird berichtet, dass am 15. August 2001, weniger als einen Monat vor den Anschlägen also, drei Männer aus Katar in den USA eingetroffen waren. Meshal al-Hajri, heute 35 Jahre alt, Fahad Abdullah, 36, und Ali Alfehaid, 35, kamen an Bord des British-Airways-Flugs 185 aus Heathrow/London und landeten in Newark in New Jersey.

In den folgenden neun Tagen besuchten sie das World Trade Center und die Freiheitsstatue in New York, reisten dann nach Washington weiter, besichtigten das Weiße Haus und "mehrere Gebiete in Virginia". Das US-Verteidigungsministerium liegt in Arlington in Virginia an der Grenze zu Washington. Das Hauptquartier der CIA liegt in Langley - ebenfalls in Virginia. Nun wird vermutet, dass das Weiße Haus das Ziel der in Pennsylvania abgestürzten Maschine gewesen war. Aber auch die CIA-Zentrale sowie die symbolträchtige Freiheitsstatue könnten auf der Liste von al-Qaida gestanden haben.

Am 24. August flogen die drei Kataris an Bord von American Airlines Flug 143 nach Los Angeles. Sie checkten in einem unauffälligen Flughafenhotel ein und bezahlten in bar für ein Dreibettzimmer. Gebuchter Abreisetag: 10. September - ein Tag vor den Anschlägen.

Nach einigen Tagen untersagten die drei Araber dem Hotelpersonal seltsamerweise, ihr Zimmer zu betreten und zu reinigen. Doch da hatte das aufmerksame Personal längst Verdacht geschöpft. Denn was in dem Zimmer herumlag, gehörte nicht eben zur üblichen Ausstattung von USA-Touristen: Pilotenuniformen, Computer-Ausdrucke mit Pilotennamen, Fluglinien, Flugzeiten und den Namen von Besatzungen. Ein zertrümmertes Mobiltelefon lag herum, ein zweites war an einen Laptop angeschlossen, zudem gab es noch weitere Laptops in dem Raum. Mehrere Pappkartons waren an Zielpersonen in Syrien, Jordanien, Afghanistan und Jerusalem adressiert.

Ermittler fanden später heraus, dass die drei Kataris eine Woche lang in Kalifornien herumreisten - und zwar zusammen mit einem Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten: Mohammed Ali Mohammed al-Mansuri.

Über den damals 19-Jährigen heißt es in der geheimen Depesche aus Doha: "Gegen Mr al-Mansuri wird derzeit vom FBI ermittelt - wegen einer möglichen Verwicklung in die Anschläge vom 11. September." Er stehe im Verdacht, Personen unterstützt zu haben, die vor den Anschlägen in die USA eingereist seien, um potenzielle Ziele auszukundschaften und den Flugzeugentführern weitere Hilfe zukommen zu lassen.

Besonders pikant: Im kalifornischen San Diego sollen die beiden im 9/11-Bericht erwähnten Terroristen al-Hazmi und al-Mihdhar auch einige Zeit mit Anwar al-Awlaki verbracht haben. Heute steht dieser Imam und militante Islamist im Rang eines Regionalkommandeurs von al-Qaida. Al-Awlaki, der "Bin Laden des Internets", soll der Inspirator vieler Terroranschläge der letzten Jahre sein und gilt manchen Terrorexperten als "gefährlichster Mann der Welt". In US-Medienberichten hieß es, US-Präsident Barack Obama habe persönlich die Ermordung des gebürtigen Amerikaners angeordnet - ein einmaliger Vorgang.

Die drei Männer aus Katar buchten schließlich Flug 144 von Los Angeles nach Washington - aber tauchten an Bord nicht auf. Stattdessen nahmen sie an diesem 10. September British-Airways-Flug 268 nach London. Drei Tage später kehrten sie aus der britischen Hauptstadt nach Katar zurück - per Flug British Airways 125 London-Doha.

Jene Boeing 757 des Fluges 144 nach Washington jedoch, auf die sie am 10. gebucht waren, raste am 11. September als American-Airlines-Flug 77 ins Pentagon. Die Maschine traf um 9.37 Uhr Ortszeit auf das mit fast 350 000 Quadratmetern Fläche und 23 000 Mitarbeitern größte Bürogebäude der Welt und durchschlug drei Ebenen des riesigen Komplexes. Sechs Crewmitglieder starben, dazu 53 Passagiere und fünf Terroristen. Im Pentagon selber kamen 125 Mitarbeiter ums Leben.

Warum waren die drei Kataris auf genau diese Maschine gebucht, nahmen aber in letzter Minute einen anderen Flug? Hatten sich ihre Pläne unerwartet geändert? Alle vier Verdächtigen sind untergetaucht; nach Erkenntnissen des "Telegraph" hat das FBI inzwischen eine "Menschenjagd" angeordnet. Das Blatt schrieb, Agenten der US-Bundespolizei hätten nun ermittelt, dass sowohl die Flugtickets als auch die Hotelrechnung der drei Männer aus Katar von einem inzwischen "verurteilten Terroristen" bezahlt worden seien. Ein Name wurde nicht genannt.

Auch die britischen Sicherheitsbehörden würden sich gern mit den vier Verdächtigen unterhalten, da sie über London in die USA eingereist und auch wieder ausgereist waren. Neben Hamburg spielte London eine wichtige Rolle in der Vorbereitung der Terroristen vom 11. September. Drei der Entführer, darunter der besonders fanatische Kopf der "Hamburger Gruppe", Mohammed Atta, hatten sich geistig vorbereitet mit Videopredigten des islamistischen Hasspredigers Abu Qatada. Der 2009 in Jordanien untergetauchte Palästinenser galt als "Osama Bin Ladens Statthalter in Europa". Seine Predigten waren derart militant, dass ihn die meisten Londoner Moscheen ablehnten.

Einer der engsten Freunde Abu Qatadas in London war Abu Hamsa al-Masri. Der Ägypter war Prediger der berüchtigten Finsbury-Moschee; damals ein Knotenpunkt des militanten Islamismus in Europa. Die Predigten Abu Hamsas, der 2006 wegen Volksverhetzung zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, begannen meist mit den Worten: "Beseitigt die Juden vom Antlitz der Erde, schlachtet die Ungläubigen ab, errichtet das weitweite Kalifat." Abu Hamzas Moschee stand wiederum im Zusammenhang mit Zacarias Moussaoui, der gelegentlich als "20. 9/11-Terrorist" bezeichnet wird. Das Al-Qaida-Mitglied, ein Franzose marokkanischer Abstammung, wurde in den USA wegen Beihilfe zur Vorbereitung der Terroranschläge zu lebenslanger Haft verurteilt und sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis ADX Florence in Colorado ein. Moussaoui hatte bereits Flugstunden genommen, kam aber am 11. September nicht zum Einsatz.

In demselben Trakt sitzt auch der "Schuhbomber" Richard Reid, eine andere Figur aus der Finsbury-Szene. Der Brite jamaikanischer Abstammung hatte am 22. Dezember 2001 versucht, Flug American Airlines 63 Paris-Miami mit in seinen Schuhen verstecktem Sprengstoff in die Luft zu jagen.

Es ergibt sich ein beunruhigendes Bild: Die drei Kataris und der Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten könnten ein Team gebildet haben, das mit den virulentesten Figuren der Terrorszene in Europa, in den USA und im Nahen Osten eng vernetzt war. Möglicherweise waren sie Terror-Logistiker, vielleicht gar das entkommene "Fünfte Team". Sollte dies zutreffen, ist es nicht ausgeschlossen, dass sie nun andere für derartige Einsätze ausbilden - oder selber für neue Anschläge trainieren.