Der US-Präsident erklärt den Irak-Krieg für beendet. Barack Obamas Bilanz fällt erschreckend aus. Doch dafür ist ein anderer mitverantwortlich.

Washington. Für 18 Minuten schlüpfte der Präsident in eine Rolle, die in der Verfassung eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Barack Obama, kraft seines Amtes der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, sprach als Oberseelsorger an eine kriegsmüde und verunsicherte Nation. Der Anlass seiner TV-Ansprache war durchaus historisch, galt es doch, das Ende des Kampfeinsatzes im Irak zu erklären. Keine Triumphgesten, keine Siegesrhetorik begleiteten die Rede des Präsidenten. Obama bemühte sich um Versöhnung nach dem umstrittenen Krieg , der innenpolitisch in den USA tiefe Wunden gerissen hat.

Wenn es in Obamas Rede eine zentrale Botschaft an die Bürger gab, dann war es diese: „Jetzt ist es an der Zeit, die nächste Seite aufzuschlagen.“ Die USA müssten ihre Kraft für den eigenen Wiederaufbau nach der Wirtschaftskrise bündeln und sich militärisch auf den Einsatz in Afghanistan konzentrieren, den Obama als Kernstück im Kampf gegen den Terrorismus sieht. Während der gesamten Dauer der Rede ließ Obama seine gefalteten Hände auf jenem Schreibtisch im Oval Office ruhen, von dem aus sein Vorgänger George W. Bush im März 2003 in einer TV-Ansprache den Krieg gegen den Irak erklärt hatte.

Bush hatte sich nach seinem Amtsende Anfang 2009 vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, doch in Obamas Rede war er präsent. Mit dem Irak-Krieg hat Obama von ihm ein schweres Erbe übernommen; den Einsatz lehnte er von Anfang an ab. In seiner Rede zollte Obama dem Vorgänger aber Respekt. „Es ist bekannt, dass er und ich von Anfang an unterschiedlicher Meinung über den Krieg waren“, sagte Obama. An Bushs Unterstützung für die Truppen und sein Eintreten für die Sicherheit der USA könne nicht gezweifelt werden. „Es gibt Patrioten, die diesen Krieg unterstützt haben und Patrioten, die gegen ihn waren.“

Aufschlussreich war auch, was Obama nicht sagte. Der Präsident erwähnte nicht, dass Bush 2007 gegen heftigen Widerstand einen Strategiewechsel samt Truppenaufstockung im Irak durchgesetzt hatte, der nach Meinung vieler Experten einen völligen Absturz des Landes in die Anarchie verhinderte. Zu Bushs schärfsten Kritikern damals hatte Obama gehört. Der heutige Präsident blieb auch vage, als es um die Lektionen aus diesem Krieg ging, den er eigentlich nie wollte. Immerhin hätten die USA daraus gelernt, dass ihr „Einfluss in der Welt nicht allein eine Folge unserer militärischen Macht ist“, sagte er.

Ausführlich widmete sich Obama hingegen jenem Punkt, bei dem über die Parteigrenzen hinweg Konsens besteht: Er würdigte den Einsatz der Soldaten. „Wir haben unsere jungen Männer und Frauen entsandt, um enorme Opfer zu leisten, und in einer Zeit von Haushaltsengpässen daheim haben wir enorme Ressourcen im Ausland aufgewendet“, sagte Obama. „Die Vereinigten Staaten haben einen hohen Preis dafür bezahlt, die Zukunft des Irak in die Hände des Volks zu legen.“ Die Iraker müssten nun mit diesem Erbe verantwortungsvoll umgehen.

Die verbliebenen 50.000 US-Soldaten sollen sich nun auf die Ausbildung der einheimischen Streitkräfte konzentrieren. Der komplette Abzug ist für Ende 2011 geplant. Zwar wurde durch den Krieg der Diktator Saddam Hussein gestürzt. Über 100.000 Zivilisten fielen jedoch den Kämpfen zum Opfer, mehr als 4400 US-Soldaten kamen ums Leben. Der Krieg kostete die USA bislang fast eine Billion Dollar.

Die Geschichte des Irak-Einsatzes, das weiß auch Obama, ist noch nicht zu Ende geschrieben. Noch steht die Entscheidung aus, ob spätere Generationen von Historikern den Krieg der USA im Irak als Gewinn oder als Niederlage verbuchen werden – oder irgendwo im Graubereich dazwischen. Ein neuerliches Abgleiten des Irak in Gewalt zwischen den Volks- und Religionsgruppen ist nicht ausgeschlossen, die politische Lähmung im Streit um die Regierungsbildung in Bagdad nährt derlei Befürchtungen.

Die Lage im Irak bleibt also unverändert schwierig. Was sich aber sehr wohl geändert hat, das machte Obama klar, ist der Stellenwert des Irak für die Politik der USA: Inzwischen geht das Inland vor. „Unsere drängendste Priorität heute ist es, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und neue Arbeitsplätze zu schaffen für die Millionen Amerikaner, die ihre Stelle verloren haben“, sagte Obama.