Sarkozy bedient mit extremen Forderungen die rechte Wählerschaft. Luxemburgs Außenminister sprach von “Säbelrasseln in höchster Potenz“.

Berlin/Paris. Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Dieses Zitat geht auf Napoleon Bonaparte zurück, den Feldherrn und späteren Kaiser der Franzosen, der die Grande Nation bis 1814 regierte. Würde man Nicolas Sarkozy fragen, den heutigen Staatspräsidenten Frankreichs, wäre es gut möglich, dass er dieses Zitat um ein Element ergänzt: den Wahlkampf. Denn Sarkozy zeigt in den letzten Tagen eindrucksvoll, wie er mit teils populistischen Versprechen und Forderungen seine Landsleute zu umgarnen versucht. Auch wenn dies mitunter jeder realistischen Grundlage entbehrt - und politische Wegbegleiter auch über die Grenzen Frankreichs hinaus irritiert.

So auch sein neuester Vorstoß: Im Kampf um eine zweite Amtszeit drohte Sarkozy mit einem vorübergehenden Ausstieg aus dem sogenannten Schengener Abkommen, das die Reisefreiheit in der EU sicherstellt. Sollten keine Fortschritte bei den Grenzkontrollen erzielt werden, könnte Frankreich seine Mitgliedschaft in der Schengen-Zone "aussetzen", sagte der Präsident vor 60 000 Parteianhängern in Villepinte bei Paris - und verlangte Reformen: Wenn ein Staat den Verpflichtungen aus dem Abkommen nicht nachkomme, müsse er bestraft werden.

Zudem verlangte er striktere Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Europa brauche ein "Buy European"-Gesetz ebenso wie die USA ein "Buy American"-Gesetz hätten, sagte er. Sollte es hierbei innerhalb von zwölf Monaten keine Fortschritte in Europa geben, werde Frankreich einseitig derartige Regeln in Kraft setzen. Er sehe nicht ein, warum die USA, das liberalste Land der Welt, sich etwas erlaubten, was Europa verboten sei. Er glaube an den freien Handel, aber der dürfe die Welt nicht nach unten ziehen. Auch müssten den kleineren und mittleren Firmen Europas Marktanteile gesetzlich zugesichert werden. "Ich weiß, dass ich dafür kritisiert werde, aber das ist mir egal", sagte Sarkozy.

+++ Notfalls Grenzen dicht: Sarkozy buhlt um rechte Wähler +++

Womit er recht behalten hat. Zwar geht es dem Präsidenten vor allem darum, die rechtsgerichtete Wählerschaft des Landes zu umgarnen - dennoch sind sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Bundesregierung wenig begeistert ob des neuen Wahlkampfmanövers Sarkozys. Derzeit werde an einer Reform des Schengenvertrages gearbeitet, um das Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken, stellte EU-Binnenkommissarin Cecilia Malmström gestern angesäuert in Brüssel klar. Wenn Frankreich wirklich austreten wolle, müssten die EU-Verträge geändert werden. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nannte die Äußerungen Sarkozys "Säbelrasseln in höchster Potenz". Sie würden bedeuten, das Instrument, was am besten die europäische Integration für den Bürger darstellt, "mit Füßen zu treten".

In Berlin sah man sich zu folgender Klarstellung genötigt: Der freie Personenverkehr innerhalb des Schengenraums sei eine "große Errungenschaft" und ein hohes Gut, so Regierungssprecher Georg Streiter. Zu Diskussionen im französischen Wahlkampf wolle die Bundesregierung aber nicht Stellung nehmen. Noch im Februar hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Sarkozy bei einem Besuch in Paris politische Rückendeckung für den Wahlkampf gegeben. "Ich unterstütze Nicolas Sarkozy, egal was er tut", sagte die Kanzlerin. Man versteht, warum es ihr nun schwerfallen dürfte, seine jüngsten Äußerungen zu kritisieren.

+++ Wahlkampf: Sarkozy will Ausländerpolitik verschärfen +++

Immerhin: Der erste populistische Auftritt des Präsidenten war dies nicht. In sich hatte es auch ein Vorstoß vor ein paar Tagen. "In Frankreich gibt es zu viele Ausländer", hatte Sarkozy gesagt. Im Falle seiner Wiederwahl wolle er die Einwanderungszahlen halbieren und die Sozialleistungen für Migranten einschränken.

Bei seinem Wahlkampfauftritt am Sonntag sagte Sarkozy, er habe bisher "alles für Frankreich getan" und "sein Bestes gegeben", damit Frankreich "vor all diesen Krisen" geschützt werde und gestärkt daraus hervorgehe. "Ich habe mich so eingesetzt, wie ich es noch nie zuvor in meinen Leben getan habe", so Sarkozy. Er habe zwar die Lehren aus den "Erfolgen und Misserfolgen" der vergangenen fünf Jahre gezogen, seinen "Glauben an die Zukunft" aber nicht verloren. Auch ein bisschen Pathos muss sein, wenn es um den Machterhalt geht.

Denn für den Präsidenten wird es eng. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, um seine Leute hinter sich zu versammeln. Schon in sechs Wochen stimmen die Franzosen in erster Runde ab, ob sie Sarkozy weitere fünf Jahre als Staatschef haben wollen. Mit seiner neuen Aggressivität geht es ihm jetzt vor allem um diejenigen Wähler, die bislang für die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen stimmen wollen. Die Vorsitzende der Front National kam in Umfragen zuletzt auf 17 Prozent - ein großes Potenzial also, das Sarkozy helfen könnte. Dennoch sehen Beobachter seinen Weg an den rechten Rand der Wählerschaft vor allem auch als Verzweiflungsakt. Laut Umfragen liegt sein sozialistischer Herausforderer François Hollande mit 56 Prozent klar vorn.