Wenig überraschend - so lautet das Echo in Europa auf den Wahlsieg Wladimir Putins in Russland. Die römische “La Repubblica“ sieht dennoch einen “geschwächten Zaren“.

Hamburg. Die russische Wahlkommission hat Regierungschef Wladimir Putin offiziell zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Der 59-Jährige habe 63,75 Prozent der Stimmen bei dem Urnengang erzielt, teilte der Chef der Zentralen Wahlkommission, Wladimir Tschurow, am Montag in Moskau mit. Putin lag damit deutlich unter seinem vorigen Ergebnis von 71,3 Prozent im Jahr 2004.

So nahm die internationale Presse den erneuten Wahlsieg Putins auf:

Linksliberale "El Periódico de Catalunya“ (Barcelona): Wladimir Putin hatte in seiner ersten Amtszeit als russischer Präsident der Instabilität der 90er Jahre ein Ende gesetzt. Bei seiner Rückkehr in den Kreml herrschen nun andere Bedingungen. Das Aufkommen einer Protestbewegung zeigt, dass die Zeit Putins als Russland starker Mann abzulaufen beginnt. Es ist zu erwarten, dass Moskau fortan eine nationalistische und autoritäre Politik verfolgt. Russland braucht vor allem Reformen. Zu einer Modernisierung wäre vor allem die Eindämmung der Korruption erforderlich. Aber dieses Thema scheint nicht auf der Tagesordnung des neuen Präsidenten zu stehen.

Konservative "Lidove Noviny" (Prag): Eigentlich haben alle aufgeatmet. Es ist das eingetreten, worauf sowohl die Bewunderer von Wladimir Putin, des Favoriten und Siegers der Wahl, als auch seine Gegner vorbereitet waren. Russland kommt mit einem Wahlgang aus. (...) Auch wenn viele Russen wütend protestieren werden, erfüllt sie die Angst (vor einer Stichwahl) doch mit Schrecken. Diejenigen, die die Zustimmung der Mehrheit der russischen Nation erhalten würden, wären einerseits der fanatische Bolschewik und Bewunderer Lenins, (Gennadi) Sjuganow, und andererseits Putin, der imperialistische, großrussische und antiwestliche Stimmungen vertritt. Es wäre ein unschönes Ergebnis. Eine Verlängerung der Wahlagonie hätte zudem die zunehmende Ermüdung der oppositionell gestimmten Massen sichtbar werden lassen, die nach mehrmonatigen Spannungen gleichsam in einen Frühjahrsschlaf gefallen wären.

+++ Leitartikel: Stillstand droht +++

Linksliberale "La Repubblica“ (Rom): Ein geschwächter Zar zieht in den Kreml ein, die Saison der Wunder ist vorbei. Bei der Wahl im Jahr 2000 war das Land im Chaos, und Putin schaffte Ordnung. Nach der Präsidentenwahl jetzt ist die Lage anders. Inzwischen hat eine Mittelschicht das Haupt erhoben. So beginnt das dritte Mandat Putins als russischer Präsident in einer unsichereren Atmosphäre als die beiden vorangegangenen der Jahre 2000 und 2004. (...). Heute ist Wladimir Putin gezwungen, eine neue Politik zu erfinden – sofern er dazu in der Lage sein wird. Die russische Mittelschicht schmoren zu lassen in ihrer Unzufriedenheit und ihren Protesten, das kann nur seine Präsidentschaft verkürzen.

Bulgarische "Kapital Daily“ (Sofia): Das in Voraus eigentlich bekannte Ergebnis der Wahl überraschte niemanden in und außerhalb Russlands. Wichtiger ist aber, wie die Opposition reagieren und für welche Züge (der zukünftige Präsident Wladimir) Putin bereit sein wird. Er wird zwischen Reformen und kontinuierlichen Protesten, Repressalien und wirtschaftlicher Stagnation wählen müssen. Doch unabhängig davon, welchen Weg er einschlagen wird, wird er gezwungen sein, auf seine absolute Macht zu verzichten.

+++ Thema: Die neuen Feindbilder von Wladimir Putin +++

Regionalzeitung "Dernières Nouvelles d'Alsace“ (Straßburg): Putins Platz an der Macht ist heute sehr viel anfälliger als vor acht Jahren. Sein neues Mandat steckt voller Risiken. Die Wirtschaft muss modernisiert und diversifiziert werden, ohne sich auf die Kartelle zu verlassen, die an einige treue Oligarchen vergeben wurden. Die Abhängigkeit von den Einnahmen der Öl- und Gasexporte macht das Land außerordentlich verwundbar. Auch wenn der Ölpreis hoch bleibt, so wird Putin nur schwer die beträchtlichen Versprechen an die Mittelschicht und an die Armee einhalten können. Vor allem muss er sofort die politische Lage beruhigen. Seine Angstvorstellung ist eine Massenbewegung wie in Tunesien oder Ägypten. Es gibt für ihn keinen zweiten Wahlgang an den Urnen, aber vielleicht auf den Straßen?

Schweizer "Neue Zürcher Zeitung“ (Zürich): Putins Ziel ist die Rückkehr zur alten Grossmacht-Herrlichkeit und will kräftig aufrüsten. Paradoxerweise ist er selbst jedoch eines der grössten Hindernisse bei der Verwirklichung dieser Pläne. Eine wirkungsvolle Aussen- und Sicherheitspolitik hängt heute wesentlich von einer leistungsfähigen Volkswirtschaft ab. Putin hat in den letzten Jahren indes Reformen verhindert. So ist die Wirtschaft zwar gewachsen, ohne die von Putin angelegten Fesseln wäre Russland aber erheblich weiter. Seine abermalige Kandidatur hat das Land gespalten, auch dies ein Hemmschuh für die Entwicklung. So steht sich Russland immer wieder selbst im Weg. Es wird noch auf Jahre nicht die Durchsetzungskraft erlangen, die ein Land seiner Grösse eigentlich in die Waagschale werfen könnte.

Mit Material von dpa