Ein auf YouTube aufgetauchtes Video weckt Erinnerungen an den Abu-Ghraib-Folterskandal - und könnte den Friedensprozess am Hindukusch behindern: Die Aufnahme, die das US-Marinekorps derzeit untersucht, zeigt offenbar vier amerikanische Soldaten, die auf Leichen von Taliban-Kämpfern urinieren.

Washington. Ein auf YouTube aufgetauchtes Video weckt Erinnerungen an den Abu-Ghraib-Folterskandal - und könnte den Friedensprozess am Hindukusch behindern: Die Aufnahme, die das US-Marinekorps derzeit untersucht, zeigt offenbar vier amerikanische Soldaten, die auf Leichen von Taliban-Kämpfern urinieren . Die Echtheit des Videos sei jedoch nicht bewiesen, teilte das Marinekorps Mittwoch in einer Stellungnahme mit. Auch konnte nicht herausgefunden werden, welche US-Soldaten dabei möglicherweise eine Rolle spielten. Die dort gezeigten Handlungen seien jedoch nicht vereinbar mit den Werten der Truppe.

Das Video mit einer mutmaßlichen Leichenschändung durch US-Marineinfanteristen in Afghanistan könnte die Bemühungen um einen Friedenspakt am Hindukusch behindern. Auf den Aufnahmen, die im Internet veröffentlicht wurden, sind offensichtlich US-Soldaten dabei zu sehen, wie sie auf Leichen urinieren. Ein Vertreter des Hohen Friedensrates erklärte am Donnerstag, wegen derartiger Aufnahmen könnten die Taliban leicht junge Menschen für sich gewinnen. „Solche Taten haben einen sehr, sehr schlechten Einfluss auf die Friedensbemühungen“, sagte Arsala Rahmani.

Ein Sprecher der Taliban in Afghanistan erklärte dagegen: „Das ist kein politischer Vorgang.“ Das Video werde die Gespräche oder den geplanten Gefangenenaustausch nicht beeinflussen. Aus amerikanischen Militärkreisen in den USA verlautete, die Aufnahmen seien wohl authentisch. Das Marine Corps kündigte eine Untersuchung an. Die internationale Afghanistantruppe Isaf erklärte, das Video sei in höchstem Maße verwerflich und ekelhaft.

Nach einem mehr als zehnjährigen Krieg versuchen die USA und die afghanische Regierung, mit den Taliban Frieden zu schließen. So wollen die Taliban im Golfstaat Katar ein Verbindungsbüro eröffnen. Der Unterhändler von US-Präsident Barack Obama soll am Wochenende in die Region reisen und unter anderen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und Vertretern der Türkei, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate sprechen.

Am Mittwochmorgen kursierte das nur 39 Sekunden lange Video erstmals im Internet. Darauf sind vier mutmaßliche Marineinfanteristen in Kampfanzügen zu sehen, die lachend über den Körpern von drei Männern ihre Notdurft verrichten. Eine Video-Unterschrift beschreibt die Urinierenden als Mitglieder eines Sniper-Teams aus Camp Lejeune (US-Staat North Carolina), die Toten als Taliban-Kämpfer. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums nannte das Video verstörend. Es war nicht klar, wer das Video drehte und ins Netz stellte. Der Rat für Islamisch-Amerikanische Beziehungen, eine Bürgerrechtsorganisation, verurteilte die Aufnahmen und sprach von einem Verstoß gegen das internationale Kriegsrecht.

Die Aufnahme weckt Erinnerungen an den Abu-Ghraib-Folterskandal, der weltweit für Aufregung sorgte. 2004 gelangten private Fotos an US-Medien, die zeigen, wie irakische Gefangene im Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak von amerikanischem Wachpersonal um Charles Graner und Lynndie England gefoltert und erniedrigt werden. Mehrere Verantwortliche wurden damals zu empfindlichen Haftstrafen verurteilt. Die Folteraffäre löste zudem eine weltweite Debatte über Folter- und Verhörmethoden beim US-Militär aus.

Mit Material von dpa/dapd