Virtueller Krieg: Peking blockiert kritische Suchanfragen, Blogs und Videos - und warnt die USA, den Streit mit Google politisch auszuschlachten.

Hamburg/Peking. Der virtuelle Krieg zwischen dem amerikanischen Internetriesen Google und der chinesischen Staatsmacht ist voll entbrannt. Google China hat drei Büros im Reich der Mitte, etliche Mitarbeiter und einen Marktanteil von 33 Prozent an den Suchmaschinen für 384 Millionen chinesische Internet-Nutzer. Und Google hat die Nase voll von der Zensur durch Pekings Online-Wachhunde.

Bislang hatte sich Google einer Selbstzensur unterworfen, die Chinas Machthaber verlangt hatten. Regimegegnern und kritischen Bloggern sollte keine Stimme gegeben werden. Jetzt wird die Suchseite google.cn automatisch umgeleitet auf die weniger kontrollierte Hongkonger Adresse google.com.hk. Dort konnten mit den Suchbegriffen "Tiananmen Square Massacre in 1989" noch gestern Texte und YouTube-Videos zur Zerschlagung des Studentenaufstands von 1989 gefunden und geklickt werden. Man sieht, wie die chinesischen Panzer über den Platz des Himmlischen Friedens rollten. Es gab zu den Videos Kommentare auf Chinesisch, die gestern Nachmittag erst 13 Stunden alt waren.

Doch von China aus wurde auch der Zugriff auf die Google-Ersatzseite bombardiert. Die Regierungszensoren blockierten jeden Versuch, mit möglicherweise kritischen Suchwörtern über chinesische Server Google Hongkong anzusteuern. Oder man konnte die Suchergebnisse dann nicht lesen.

Es ist die vorerst letzte Eskalationsstufe eines Konflikts, der mehr ist als der Streit der Regierung mit einem US-Unternehmen. Chinas Staatsagentur Xinhua zitierte einen Offiziellen, der Googles Umleitungsversuch anprangerte mit den Worten: "Google hat sein schriftliches Versprechen gebrochen, Inhalte zu filtern, und macht China für Hackerangriffe verantwortlich." Googles Rückzug ist nicht mehr ausgeschlossen.

Außenamtssprecher Qin Gang sagte, es handele sich "vornehmlich" um eine vereinzelte Aktion eines kommerziellen Unternehmens. Die Beziehungen zwischen Peking und den USA seien nicht beeinträchtigt, zitierte die "New York Times" den Sprecher. Und dann kam die Drohung: Es sei denn, der Konflikt mit Google werde politisch ausgeschlachtet.

In acht Wochen gibt es in Peking strategische Gespräche zwischen Regierungsvertretern und US-Außenministerin Hillary Clinton sowie Finanzminister Timothy Geithner. Das Weiße Haus erklärte, es sei "enttäuschend", dass Google keine Einigung mit Peking erzielen konnte.

"Dies ist ein wirklich historischer Moment", sagte der Experte Xiao Qiang von der US-Uni Berkeley. "Dass Google in China nicht existieren kann, zeigt, dass die aufstrebende Macht eine andere Richtung nimmt, als die Welt und viele Chinesen sich erhoffen."

Seit dem Jahr 2000 ist Google in China aktiv, seit 2005 mit eigenen Vertretungen. Weil das Unternehmen sich mit Blick auf schnelles Wachstum den Zensurbestimmungen unterwarf, distanzierte es sich von seinem eigenen Motto: "Don't be evil" - Tu nichts Böses.

Konkurrent Yahoo lieferte Chinas Polizei im Jahr 2005 Daten, die zeigten, dass der chinesische Journalist Shi Tao Dokumente mit ausländischen Kollegen austauschte. Er wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Microsoft startete im selben Jahr einen Blog-Dienst, in dem Wörter wie "Demokratie" und "Freiheit" verboten waren. 2006 schloss Microsoft den Blog eines Dissidenten, in dem der Rauswurf eines unabhängigen Journalisten bei der "Beijing News" diskutiert wurde.

Jetzt lobte sogar die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den Alleswisser Google. Der Verzicht auf die Zensur sei ein "starker Schritt zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit". Die Organisation Reporter ohne Grenzen sieht in China "das umfassendste System von Online-Zensur und -überwachung". Im "weltgrößten Gefängnis für Internet-Nutzer" seien 69 Blogger inhaftiert.

Die schnellste Reaktion auf Googles Umleitung nach Hongkong und Pekinger Zensurbemühungen auch dort kam von der Börse. Der Kurs von Google-Konkurrent Baidu (63 Prozent Marktanteil) schoss in die Höhe. Und in den USA läuft sich Microsoft mit seiner neuen Suchmaschine Bing warm, seine Präsenz in China zu stärken. Man werde die Gesetze Pekings beachten und sicher als Anwalt der Informationsfreiheit auftreten, falls sich die Notwendigkeit dazu ergäbe, hieß es in einem Statement.