Mit “Demut“ hat US-Präsident Obama den Friedensnobelpreis entgegengenommen. Er verteidigte die Kriege, die die USA führen.

Oslo. Bis zuletzt hatte US-Präsident Barack Obama an seiner Rede gefeilt. In ihr wollte er erklären, warum heute jemand in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennimmt, der 30 000 weitere Soldaten nach Afghanistan schickt. Der noch immer einen Krieg im Irak führt. Und der sich jüngst nicht klar und deutlich für ein internationales Verbot von Landminen aussprechen wollte. Andere Kandidaten hätten „ohne Zweifel“ den Preis wohl mehr verdient als er, hatte Obama bereits am Morgen bei einer Pressekonferenz mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg eingeräumt. Mit „tiefer Dankbarkeit und großer Demut“ nahm er schließlich den Preis entgegen. An der feierlichen Zeremonie im Rathaus von Oslo nahmen auch Norwegens König Harald V. und Königin Sonja teil.

Nach der Preisverleihung ging Obama direkt zu Beginn seiner Rede auf die „beachtliche Kontroverse“ ein, die die Vergabe des Preises an ihn ausgelöst habe. Verglichen mit anderen großen historischen Figuren wie Albert Schweitzer und Nelson Mandela sei das bisher von ihm Erreichte gering. Rund um den Erdball würden Männer und Frauen im Gefängnis sitzen, weil sie nach Gerechtigkeit streben. Er könne denjenigen nichts erwidern, die darauf verwiesen, dass diese Menschen „die Ehre sehr viel mehr verdient haben als ich“.

Der wichtigste Streitpunkt sei aber, dass er als Oberkommandierender einer Nation im Krieg ausgezeichnet worden sei, sagte Obama in Anspielung auf die Kriege in Afghanistan und im Irak. Einer davon nähere sich dem Ende, der andere sei einer, den Amerika sich nicht ausgesucht habe. „Dennoch sind wir im Krieg, und ich bin verantwortlich für die Stationierung von Tausenden junger Amerikaner in einem fernen Land,“ sagte Obama. „Einige werden töten. Andere werden getötet.“ Er sei sich der Kosten der bewaffneten Konflikte bewusst. Andererseits müssten die Menschen auch die „harte Wahrheit“ akzeptieren, dass die Gewalt nicht ausgelöscht werden könne. „Krieg ist manchmal notwendig“, sagte er. Manche Länder müssten ihn führen, um ihre Bürger vor feindlichen Regimen oder terroristische Gruppen zu schützen, sagte Obama.

Der US-Präsident erklärte weiter: „Ich habe heute keine endgültige Lösung für das Problem Krieg dabei“. Was er aber wisse sei, dass „diese Herausforderung nur mit der gleichen Vision, harten Arbeit und Hartnäckigkeit“ zu bewältigen sei, wie sie früher Friedenskämpfer an den Tag gelegt hätten. „Wir müssen der harten Wahrheit ins Gesicht sehen, dass ein Menschenleben nicht ausreicht, um gewaltsame Konflikte auszurotten“, sagte der Präsident.

Er erinnerte auch an die Terroranschläge vom 11. September. Die Welt habe sich danach hinter die USA gestellt und unterstütze wegen des „Horrors dieser sinnlosen Anschläge und des anerkannten Prinzips der Selbstverteidigung“ weiterhin den Einsatz in Afghanistan. Er glaube, der Einsatz von Gewalt aus humanitären Gründen wie auf dem Balkan oder in anderen Kriegsgebieten sei gerechtfertigt. Er sehe sich zwar in der Tradition von Friedensaktivisten wie Martin Luther King. „Aber als Staatsoberhaupt, das geschworen hat, sein Land zu schützen und zu verteidigen, kann ich nicht mich allein an ihrem Vorbild orientieren“. Eine gewaltlose Bewegung hätte weder Adolf Hitler bezwungen, noch könne sie El-Kaida-Anführer zur Aufgabe bewegen.

Auch das norwegische Nobel-Komitee hatte zuvor die Vergabe des Friedensnobelpreises an Obama gegen alle Kritik verteidigt. Mit der Auszeichnung wollte es die Bemühungen Obamas für diplomatische Konfliktlösungen und eine atomwaffenfreie Welt würdigen. Viele hätten eingewandt, der Preis für Obama sei zu früh gekommen, räumte der Vorsitzende des Nobel-Komitees, Thorbjörn Jagland, ein. „Aber die Geschichte erzählt uns viel von verpassten Gelegenheiten.“ Obama habe bereits viel erreicht. Die Rolle der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen sei gestärkt worden. „Folter ist verboten. Der Präsident tut, was er kann, um Guantánamo zu schließen.“ Der Kampf gegen den gewalttätigen Extremismus in Afghanistan basiere auf einer breiten internationalen Grundlage. Allerdings könnten die Probleme nur durch die Afghanen selbst gelöst werden. „Das ist die fundamentale Logik hinter der neuen Strategie des Präsidenten.“ Weiter hob Jagland Obamas Engagement für die Abschaffung von Atomwaffen und für den Klimaschutz hervor. Der Präsident habe konkrete Vorschläge zur Reduzierung der Treibhausgase auf den Tisch gelegt. Die Wahl Obamas sei deshalb keine schwierige Entscheidung gewesen, sagte Jagland. „Nur selten hat eine Person die internationale Politik im selben Ausmaß wie Obama dominiert, oder in so kurzer Zeit so viele große Veränderungen angestoßen.“

Die Feierlichkeiten in Oslo werden von massiven Sicherheitsmaßnahmen geschützt, wie es sie in Norwegen noch nicht gegeben hat. Über 2000 Polizisten sind im Einsatz, darunter 200 US-Spezialagenten. Scharfschützen bewachen die Innenstadt, Hubschrauber sichern den Luftraum. Für den Abend sind zwei Demonstrationszüge von Friedensgruppen und Kriegsgegnern geplant.