Korruption, Betrug und undurchsichtige Verbindungen, aber am Ende bleibt er im Amt. Hamid Karsai wurde zum Wahlsieger ernannt.

Kabul. Dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai mangelt es an Führungsstärke, seine Regierung ist korrupt, und fast ein Drittel der Stimmen für ihn bei der Wahl im August wurden als Fälschungen annulliert. Dennoch hält die US-Regierung an ihm fest – es bleibt ihr auch kaum anders übrig. Die afghanische Wahlkommission hat die für den kommenden Sonnabend angesetzte Präsidentenstichwahl abgesagt. Und gleichzeitig wurde Präsident Hamid Karsai zum Wahlsieger erklärt. Er wäre bei der Stichwahl der einzige Kandidat gewesen, nachdem sein Konkurrent Abdullah Abdullah zurückgezogen hat. Abdullah sprach von „unfairen Bedingungen“.

Karsai ist nicht der starke und kompetente Partner, den sich Washington vorgestellt hatte. Die Hoffnung war, dass die Wahl das Land stabilisieren und den Taliban den Rückhalt entziehen würde. Tatsächlich führte sie ins Chaos: Erst die schwierige Entscheidung zur Stichwahl, dann die Absage. Nun müssen die USA irgendwie mit Karsai zurechtkommen und ihn ermutigen, auf die Anhänger Abdullahs und andere Taliban-Gegner zuzugehen.

Werden diese Gruppen nicht in eine Regierung einbezogen, dürfte das nur noch die Gefolgschaft der Taliban stärken, die sich die weit verbreitete Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung zunutze machen. „Die Regierung bereitet uns größere Kopfschmerzen als die Taliban“, sagt der Geschäftsmann Ahmed Schah Lumar aus Kandahar. Er klagt, dass die Entwicklungspläne für seine Region schon Staub ansetzten, so lange warten sie bereits auf grünes Licht von oben.

Karsai erfreute sich enger Beziehungen zur Regierung von George W. Bush, die ihn nach dem Sturz der Taliban 2001 ins Amt gehievt hatte. Doch mit dem Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus fiel er in Ungnade. Seither kritisieren ihn US-Regierungsvertreter unverhohlen als schwachen und den verbündeten Warlords verpflichteten Führer.

Nichtsdestoweniger kam die Regierung Obama irgendwann doch zu dem Schluss, dass Karsai in Anbetracht der ethnischen und politischen Gegebenheiten immer noch der Beste ist, den sie kriegen kann. „Wir werden mit der Regierung zurechtkommen, die es gibt“, erklärte Berater David Axelrodt. „Und offenkundig gibt es Dinge, über die wir reden müssen, den Abbau des hohen Maßes an Korruption etwa. Diese Themen werden wir bei Präsident Karsai ansprechen.“

Nun gilt es, die nächsten fünf Jahre mit einem afghanischen Präsidenten auszukommen, dem Obama einmal nachsagte, er leide an „Bunkermentalität“ und habe den Bezug zum eigenen Land verloren. Aber groß ist die Auswahl an möglichen Führungspersonen nicht. Manche, wie Abdullah, schleppen die Last ihrer Vergangenheit aus den Jahren des Bürgerkriegs mit sich. Der ehemalige Außenminister war Sprecher des Nordallianz-Befehlshabers Ahmed Schah Massud. Er gilt als Mann der Tadschiken und wird dementsprechend von der paschtunischen Mehrheit abgelehnt. Die Paschtunen stehen hinter Karsai, einem der ihren – und sie stellen die Mehrzahl der Taliban.

Die Hoffnung der Amerikaner, den Radikalislamisten gemäßigte Anhänger abspenstig zu machen, wäre unter einem Präsidenten aus der tadschikischen Minderheit wohl unmöglich. Westlich geprägte Politiker wie Aschraf Ghani, der im August weit abgeschlagen Vierter wurde, wären zwar zum Regieren befähigt, haben aber nicht die erforderliche Basis in der Bevölkerung.

Manche Vertreter der USA und der Uno haben die Idee einer Regierung der Einheit auf breiter Basis ins Spiel gebracht, die Anhänger Karsais, Abdullahs und anderer Politiker gegen die Taliban vereinen würde. Über eine derartige Machtteilung wurde westlichen Diplomaten bis zur letzten Minute vor Abdullahs Rückzug gesprochen. Karsai hat bislang Bereitschaft signalisiert, frühere Gegner in sein Kabinett aufzunehmen; er sträubt sich aber gegen eine förmliche Koalition mit Teilung der Macht. (AP/HA)