Schwerer Schlag für Regierungschef Nuri al-Maliki. Seine Fähigkeit, für Stabilität im Irak zu sorgen, steht infrage.

Hamburg/Bagdad. "Es war wie ein Erdbeben", stammelte der Ladenbesitzer Hamid Saadi, "die Explosion hat alles vernichtet. Nichts steht mehr dort, wo es einmal war. Ich weiß nicht, warum ich noch am Leben bin." Apokalyptische Szenen spielten sich gestern im Regierungsbezirk der irakischen Hauptstadt Bagdad ab. Leichenteile lagen zwischen verkohlten Autowracks, Schreie von Schwerverletzten gellten durch die Straßen und Feuerwehrleute zogen verbrannte Körper aus den Trümmern. Sie waren so heiß, dass sie nur mittels dicker Tücher geborgen werden konnten.

Bei den schwersten Bombenanschlägen im Irak in diesem Jahr starben mindestens 136 Menschen, mehr als 500 wurden zum Teil schwer verletzt.

Mitten im morgendlichen Berufsverkehr gegen 10.30 Uhr Ortszeit waren innerhalb von nur wenigen Minuten zwei mit Sprengstoff beladene Kleinlastwagen explodiert; der Erste mitten auf der Straße zwischen den Ministerien für Arbeit und Justiz. Ein riesiger Feuerball erhob sich zwischen den Häusern. Die Wucht der Detonation zerriss zahlreiche Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, und beschädigte die Gebäude. Wände stürzten ein. Wenig später explodierte die zweite Autobombe vor dem Amtssitz des Gouverneurs von Bagdad im Stadtteil Salhijeh.

Über den Anschlagsorten hingen dicke Rauchwolken. Ganze Stadtteile standen unter Wasser, da die Bomben zahlreiche Leitungen zerrissen hatten. "Diese Anschläge galten der Regierung und dem politischen Prozess im Land", sagte Generalmajor Qassim al-Mussawi vom städtischen Kommandozentrum. Und Mohammed al-Rubaiey, schiitisches Mitglied des Provinzrats von Bagdad, erklärte: "Dies ist ein politischer Kampf; und wir zahlen den Preis dafür."

Nach seinen Angaben wurden mindestens 25 Mitglieder der Provinzverwaltung bei dem Anschlag getötet. Ministerpräsident Nuri al-Maliki eilte zu den Anschlagsorten und ließ erklären, die Attentate trügen die Handschrift der Terror-Organisation al-Qaida oder militanter Anhänger der früheren Regierung von Saddam Hussein.

Die Anschläge, die von der Bundesregierung und der Europäischen Union umgehend "aufs Schärfste" verurteilt wurden, sind ein schwerer Schlag für Maliki. Der Premier will im Januar bei den Wahlen im Amt bestätigt werden. Noch steht nicht endgültig fest, dass sie tatsächlich wie geplant stattfinden können, denn um das Wahlrecht ist ein Streit entbrannt. Die kurdische Autonomieregierung will die Ölstadt Kirkuk in ihr Gebiet mit einbeziehen, was aber die Araber und Turkmenen in der Region vehement ablehnen. Maliki, der zunehmend autoritär regiert, will beweisen, dass er die Sicherheitslage im Land im Griff hat. Seit dem Rückzug der US-Truppen aus den irakischen Städten Ende Juni hat sich die Zahl der Anschläge jedoch wieder dramatisch erhöht. Allein im August hatte es bei einer Reihe schwerer Attentate rund 200 Tote gegeben. Bis 2011 wollen sich die Amerikaner ganz aus dem Irak zurückziehen.

Radikale Kräfte, vor allem al-Qaida im Irak, versuchen, eine staatliche Konsolidierung im Land zu untergraben und neue Zwietracht zwischen Sunniten und Schiiten zu säen. Aber auch viele militante Schiiten hegen einen Groll gegen den Schiiten Maliki. Denn der Regierungschef bemüht sich in letzter Zeit, die alte Elite von Saddam Husseins ehemaliger Regierungspartei Baath für sich zu gewinnen. Maliki braucht für seine von Korruption und Inkompetenz geplagte Regierung dringend Profis. Der Sunnit Saddam hatte die Schiiten blutig verfolgen lassen.