Schwer bewaffnete Jugendbanden übernehmen für Drogenkartelle die Drecksarbeit - vor allem Morde und Entführungen.

Hamburg/Mexiko-Stadt. Die Treiberameise Marabunta hat die Angewohnheit, in breiter Front durch den Amazonas-Dschungel zu ziehen und dabei alles zu töten, was ihr vor die kräftigen Beißwerkzeuge kommt. Der Raubzug der Marabunta hat Regisseure zu Horrorfilmen inspiriert - und auch einem weit gefährlicheren Phänomen des amerikanischen Doppelkontinents zu seinem Namen verholfen.

"Maras" nennen sich die schwer bewaffneten und äußerst brutal agierenden Jugendbanden in Mittelamerika, die auch in US-amerikanischen Städten Metastasen gebildet haben. Die Maras, deren Kopfstärke auf mindestens 100.000 und höchstens 500.000 geschätzt wird, sind vor allem in Guatemala, Honduras und El Salvador virulent, aber auch in Mexiko und Nicaragua. Viele der Maras sind selber drogensüchtig und übernehmen für Drogenkartelle die Drecksarbeit - vor allem Morde und Entführungen. Das FBI spricht von "transnationalen Super-Gangs".

In einer Studie des Uno-Entwicklungsprogramms wird Mittelamerika als die gewalttätigste Region des ganzen Doppelkontinents bezeichnet. In den sieben Staaten der Region kommen im Jahresdurchschnitt 33 Morde auf 100 000 Einwohner. In Honduras sind es sogar 58, in El Salvador 52 und in Guatemala 48 - in Deuschland 0,9.

Das tödliche Phänomen der Maras trifft in diesen Staaten auf eine weitgehend hoffnungslose Jugend, auf grassierende Korruption und mächtige Drogenkartelle. Im Gegenzug haben sich Geheimgesellschaften gebildet, die die Maras im Stile von Todesschwadronen bekämpfen. Es wird davon ausgegangen, dass auch staatliche Stellen diese Schwadronen finanzieren und unterstützen. Es ist der Offenbarungseid einer gescheiterten Zivilgesellschaft.

Besonders brisant erscheint diese Entwicklung in Fall des einstigen Musterlands Mexiko. Der US-Nachbar mit seinen 110 Millionen Einwohnern hat sich zum Drehkreuz des Drogenhandels entwickelt. Vier Kartelle liegen im Krieg mit dem Staat und in tödlicher Fehde untereinander. Das Land versinkt in einem Strudel an Gewalt, 5600 Mordopfer gab es im vergangenen Jahr, ein Anstieg von 117 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - und dieses Jahr werden es wohl viel mehr sein. Mexiko gilt bereits als eines der gefährlichsten Länder der Welt, zu Beginn des Jahres verglich das US-Verteidigungsministerium den Nachbarn bereits mit Pakistan, dem Land auf der Kippe zum "failed state", dem gescheiterten Staat.

Immer brutaler agieren die Kartelle, die Maras und die Todesschwadronen, um den jeweiligen Gegner zu terrorisieren. Vor drei Jahren hatten 20 schwarz gekleidete und schwer bewaffnete Kriminelle eine Bar im mexikanischen Uruapan gestürmt und die abgetrennten Köpfe von fünf Gegnern auf die Tanzfläche geworden. Ein unmissverständliches Signal an die Konkurrenz.

Und im vergangenen Jahr entledigten sich die Entführer eines Fünfjährigen ihres Opfers, indem sie dem Kind Säure spritzten.

Eine ganze Weltregion verroht; dazu trägt auch die traditionelle lateinamerikanische Machismo-Kultur nicht unwesentlich bei. Nach offiziellen Angaben wurden in Mexiko allein zwischen 1999 und 2006 mehr als 7000 Frauen getötet, die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen. Nach einer Statistik der Menschenrechtsorganisation CNDH werden in Mexiko täglich fast 44 000 Menschen Opfer eines Verbrechens. Mehr als 100 Milliarden Dollar beträgt der geschätzte Umsatz der vielarmigen Verbrechens-Hydra allein in Mexiko - während viele Menschen in der Wirtschaftskrise verarmen.