Kein Zweifel, Barack Obama verkörpert wie kein Zweiter die bewundernswerte Eigenschaft Amerikas, sich immer wieder neu zu erfinden. Und der US-Präsident ist ganz unbestritten ein begnadeter Magier der Worte.

Die großen Reden seiner kurzen Amtszeit sind schon jetzt Legende, sein Friedensangebot an die Muslime, die Aussöhnung zwischen Schwarz und Weiß, die Schaffung einer Welt ohne Atomwaffen - Obama entwirft Visionen, die Wogen glätten, indem sie Freunde wie Feinde einbeziehen. Auch für den Bruch mit der Politik seines Amtsvorgängers George W. Bush, die geprägt war von Intoleranz, Militanz und Arroganz und die Amerikas Ansehen geschadet hat, gebührt ihm uneingeschränkte Anerkennung.

Aber der Friedensnobelpreis?

Mit der Verleihung an Obama hat sich das Nobelkomitee von der Strahlkraft des neuen Hoffnungsträgers im Weißen Haus ein wenig blenden lassen. Nicht, weil er mit Worten mangelnde Taten verdeckt. Vielmehr stößt Obama nach neun Monaten im Amt mit seinen Gesetzesreformen und diplomatischen Initiativen an Grenzen. Nicht selten werden gefeierte Lichtgestalten auf Normalmaß gestutzt, wenn sie in der Knochenmühle der Realpolitik gelandet sind. Das muss kein Schaden sein. Immer wieder haben Männer wie Lincoln, Roosevelt, Kennedy oder Reagan angesichts neuer Herausforderungen ihre Positionen korrigiert und Ideale zurückgesteckt. Sie wurden trotzdem große Präsidenten.

Es mag seiner Unerfahrenheit geschuldet sein, dass Obama den Widerstand gegen seine Politik unterschätzt hat. Gut gemeint ist nicht gut gemacht und ohne Partner geht gar nichts. Da wartet harte Arbeit auf den Präsidenten. Sein Aufstieg in den Himmel der Nobel-Heiligen mag vom Osloer Komitee als Ansporn gedacht sein. Doch von dort oben wird das Tagesgeschäft an der Basis schwieriger.